Nana
da, man trank den Kaffee stehend. Der Lärm der Kellner im Nachbarzimmer wurde immer größer. Nana war verschwunden. Doch kümmerte sich niemand um ihre Abwesenheit. Man behalf sich ohne sie. Die Gäste wühlten in den Schubladefächern umher, um kleine Löffel zu suchen, die beim Kaffee fehlten. Es hatten sich mehrere Gruppen gebildet. Die Personen, die während des Essens getrennt waren, fanden sich wieder zusammen; man tauschte Blicke, ein bedeutungsvolles Lächeln, kurze Worte aus, welche die Lage genugsam kennzeichneten.
August, du bist wohl auch meiner Meinung, daß wir Herrn Fauchery für einen der nächsten Tage zum Frühstück bitten? fragte Rosa Mignon ihren Gatten.
Mignon, der mit seiner Uhrkette spielte, ließ eine Sekunde lang seine strengen Blicke auf dem Journalisten ruhen. Rosa war verrückt. Als guter Hauswirt, der er war, würde er diesen Ausschreitungen ein rasches Ende bereiten ... Nach dem Erscheinen des Artikels wird dem Journalisten die Tür gewiesen. Da er indessen den Eigensinn seiner Gattin kannte und es bei ihm Regel war, ihr hier und da väterlich eine Torheit zu gestatten, wenn es nötig war, antwortete er auf die Frage seiner Gattin in verbindlichem Tone:
Gewiß, ich werde mich glücklich schätzen ... Kommen Sie morgen, Herr Fauchery.
Lucy Stewart, die im Gespräch mit Steiner und Blanche begriffen war, hörte diese Einladung. Sie erhob die Stimme und sagte dem Bankier:
Sie haben sämtlich eine wahre Wut gegen mich. Eine von ihnen hat mir alles gestohlen, selbst meinen Hund. Ist es denn meine Schuld, daß Sie diese Rosa verlassen?
Rosa wandte den Kopf.
Sie trank ihren Kaffee in kleinen Schlücken; sie war sehr bleich und blickte starr auf Steiner. Die ganze Wut über seine Treulosigkeit zeigte sich wie eine Flamme in ihren Augen. Sie sah klarer als Mignon. Es war töricht, das Spiel mit Jonquier zu wiederholen. Ein solcher Versuch gelingt nicht zweimal. Um so schlimmer. Sie wird Fauchery haben, nach dem sie schon seit Beginn des Essens angelt. Wenn es Mignon mißfällt, wird es ihm wenigstens eine Lehre sein.
Sie werden sich doch nicht mit Rosa prügeln? fragte Vandeuvres Lucy Stewart.
Nein, fürchten Sie nichts. Aber ich rate ihr, sich ruhig zu verhalten, sonst könnte es ihr übel ergehen.
Sie rief dann Fauchery mit einer gebieterischen Gebärde zu sich und sagte:
Mein Junge, ich habe deine Pantoffel bei mir zu Hause; ich werde sie morgen bei deinem Hausmeister für dich abgeben lassen.
Er wollte scherzen, sie entfernte sich jedoch mit der Miene einer Königin. Clarisse, die sich an die Wand gelehnt hatte, um ruhig ein Glas Kirschgeist zu trinken, zuckte die Achseln. Sind das Umstände wegen eines Mannes! Wenn zwei Frauen mit ihren Liebhabern in einer Gesellschaft zusammenkommen, ist's ja das erste, daß sie einander die Liebhaber abtrünnig machen, das ist bekannt ... Sie selbst zum Beispiel hätte Gaga wegen Hektors die Augen ausreißen können, wenn sie wollte. Fällt ihr aber nicht ein; sie macht sich lustig darüber.
La Faloise ging eben vorüber. Sie rief ihn zu sich und sagte ihm ruhig:
Hör' einmal, du liebst die »Vorgeschrittenen« – wie es scheint. Nicht die Reifen magst du, sondern die Faulen.
La Faloise schien beunruhigt. Als er sah, daß Clarisse sich über ihn lustig mache, schöpfte er Verdacht.
Keine Dummheiten, brummte er; du hast mein Taschentuch genommen, gib mir mein Taschentuch wieder.
Der bringt uns um mit seinem Taschentuch. Was soll ich denn damit, Schwachkopf?
Ei, sagte er mißtrauisch, um es meiner Familie zu schicken und mich bloßzustellen.
Foucarmont hatte sich inzwischen auf die Liköre geworfen. Er fuhr fort, Labordette zu necken, der im Kreise der Damen seinen Kaffee trank. Er ist der Sohn eines Pferdehändlers, brummte er. Andere sagen: der Bastard einer Gräfin. Keinerlei Einkünfte und immer fünfundzwanzig Louis in der Tasche. Der Knecht der Weiber; ein Bursche, der nie zu Bett geht. Ich muß ihn ohrfeigen.
Er leerte ein Glas Chartreuse.
Das ist nichts, sagte er und schlug mit dem Nagel seines Daumens gegen die Zähne.
Aber als er sich eben Labordette nähern wollte, erbleichte er plötzlich und stürzte vor dem Büfett wie eine leblose Masse zu Boden. Er war totbetrunken. Louise Violaine war untröstlich. Sie hatte vorausgesagt, die Sache werde schlimm endigen. Nun kann sie ihn pflegen bis zum Morgen ... Gaga beruhigte sie; sie schaute den Offizier mit den Augen einer erfahrenen Dame an und erklärte, es sei nichts; der
Weitere Kostenlose Bücher