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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Herr werde zwölf, fünfzehn Stunden ohne weiteren Zwischenfall schlafen. Man trug Foucarmont fort.
    Wo ist denn Nana hingeraten? fragte Graf Vandeuvres.
    Nana war in der Tat verschwunden, seitdem sie den Tisch verlassen. Jetzt erinnerte man sich ihrer; alles fragte nach ihr. Steiner, seit einem Augenblick beunruhigt, befragte den Grafen wegen des alten Herrn, der gleichfalls verschwunden war. Der Graf beruhigte ihn, er habe soeben den alten Herrn nach Hause geführt; es sei eine fremde Persönlichkeit, deren Name nichts zur Sache tue: ein Herr, der sich begnüge, die Essen zu bezahlen. Nach langem Suchen entdeckte Graf Vandeuvres endlich Nana in ihrem Schlafzimmer; sie saß starr und steif mit bleichen Lippen da, während Daguenet und Georges vor ihr standen und sie mit bestürzten Mienen betrachteten.
    Was ist Ihnen denn? fragte der Graf überrascht.
    Sie antwortete nicht, wandte nicht einmal den Kopf um. Er wiederholte die Frage.
    Ich will nicht, daß man sich über mich lustig mache! rief sie endlich aus.
    Und sie schimpfte nun, wie es ihr in den Mund kam. Ja, sie ist nicht dumm und sieht ganz klar. Man hat während des Essens sie demütigen wollen; man hat sich erlaubt, die unmöglichsten Dinge zu sagen und zu treiben, nur um Verachtung gegen sie zu zeigen. Es sei ein Haufen Dirnen, nicht wert, ihr das Wasser zu reichen. Sie wisse nicht, was sie abhalte, die ganze schmutzige Gesellschaft zur Türe hinauszuwerfen. Sie werde sich nicht bald wieder ein solches Pack einladen, um sich nachher verlästern zu lassen. Die Wut erstickte ihre Stimme; sie brach in Schluchzen aus.
    Du bist betrunken, mein Kind, sagte Vandeuvres, sie duzend, nimm doch Vernunft an.
    Möglich, daß ich betrunken bin, aber ich will, daß man mich achtet.
    Seit einer Viertelstunde baten Daguenet und Georges sie vergebens, in den Speisesaal zurückzukommen. Sie blieb hartnäckig: ihre Gäste können tun, was sie wollen, sie verachtet sie zu sehr, um zu ihnen zurückzukehren. Nie, niemals! Eher läßt sie sich in Stücke zerschneiden, als daß sie das Zimmer verläßt.
    Ich hätte mir's zwar denken können, fuhr sie fort. Dieses Kamel von Rosa hat das ganze Komplott angezettelt. Die ehrbare Dame, die ich heute erwartete, ist sicherlich nur durch Rosa abgehalten worden zu kommen.
    Sie sprach von Madame Robert. Graf Vandeuvres gab ihr sein Ehrenwort, daß Madame Robert selbst abgelehnt habe. Er hörte sie an, ohne zu lachen, und gab ihr ernste Antworten: er war an solche Szenen gewöhnt, und wußte, wie man die Frauen in diesem Zustande zu behandeln habe. Aber sobald er ihre Hand nehmen wollte, um sie von ihrem Sitze zu erheben, sträubte sie sich mit verdoppeltem Zorne dagegen. Man werde ihr niemals ausreden können, daß Fauchery den Grafen Muffat abgeredet habe, zu kommen. Dieser Fauchery sei eine wahre Schlange, voll Gift und Neid; ein Mensch, der imstande sei, eine Frau, die er hasse, zu vernichten. Sie wisse, der Graf habe Gefallen an ihr gefunden und sie habe ihn bei sich sehen können.
    Den Grafen, meine Liebe? Niemals! sagte Vandeuvres lachend.
    Warum denn nicht? fragte sie ernst und etwas nüchterner.
    Weil er in den Kirchen und Pfarrhäusern steckt, und wenn er Sie nur mit der Fingerspitze berührte, am folgenden Tage beichten ginge. Nehmen Sie von mir einen guten Rat: Lassen Sie den andern nicht aus.
    Sie überlegte eine Weile; dann erhob sie sich und wusch sich die Augen. In den Speisesaal aber wollte sie noch immer nicht zurückkehren. Vandeuvres verließ lächelnd das Zimmer; er wollte nicht weiter in sie dringen. Kaum hatte er das Zimmer verlassen, als sie in einer Anwandlung von Zärtlichkeit sich in Daguenets Arme warf und ausrief:
    Ach, Mimi! Du bist mir doch am teuersten; dich liebe ich! Wie glücklich waren wir, könnten wir immer beisammen bleiben ... Mein Gott, die Frauen sind sehr unglücklich!
    Dann bemerkte sie Georges, der sehr rot geworden war, als er sah, daß sie einander küßten, und sie küßte auch ihn. Mimi kann doch auf ein Kind nicht eifersüchtig sein. Sie wollte, daß Paul und Georges in gutem Einvernehmen miteinander blieben. Es wäre so schön, so zu dreien in dem Bewußtsein zu leben, daß man einander sehr liebe. Ein seltsames Geräusch störte sie plötzlich: jemand schnarchte in dem Zimmer. Es war Bordenave, der, nachdem er den Kaffee genommen, sich hier bequem eingerichtet hatte. Er schlief auf zwei Sesseln, den Kopf auf den Rand des Bettes gestützt, das Bein ausgestreckt. Nana fand ihn so drollig, wie

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