Nana
ekelt mich an, wenn ein junger Mensch sich an alte Weiber hängt.
Sie hielt inne, um mit einem kaum merklichen Zeichen auf Blanche zu deuten, die sich schon seit Beginn des Essen in einer sehr unbequemen Lage zurückgelehnt hatte, um dem fremden alten Herrn ihre Schulter zu zeigen.
Ich glaube, man läßt Sie auch fallen, mein Lieber, sagte sie.
Vandeuvres lächelte fein und machte eine Gebärde der Sorglosigkeit. Er werde der armen Blanche keine Hindernisse bereiten, wenn sie weitere Erfolge erzielen wolle. Ihn interessierte weit mehr das Schauspiel, das Steiner der ganzen Tischgesellschaft bot.
Der Bankier war durch seine Liebschaften berüchtigt. Dieser schreckliche deutsche Jude, dieser Großunternehmer, der nur in den Millionen wühlte, war ein Schwachkopf, wenn er es auf ein Weib abgesehen hatte – und er wollte alle haben. Es tauchte keine auf dem Theater auf, die er sich nicht kaufte, und wäre sie noch so teuer gewesen. Sein wütender Hunger nach Mädchen hatte ihn schon zweimal zugrunde gerichtet. Die Mädchen rächen die Moral, sagte Vandeuvres, indem sie diesen Menschen kahl bürsten. Jetzt war er wieder durch ein großes Unternehmen in Landessalinen eine Börsenmacht geworden, und die Mignons zehrten seit zwei Monaten an seinen Salinen. Allein sie sollten nicht das Ganze haben, Nana zeigte ihre weißen Zähne. Steiner zappelte wieder einmal im Netz, und zwar so gründlich, daß er an Nanas Seite wie ein Toter saß, keinen Appetit zeigte, die Unterlippe hängen ließ und sein Gesicht fleckig wurde. Sie brauchte nur eine Summe zu nennen, aber sie beeilte sich nicht. Sie spielte mit ihm, lachte in die behaarten Ohren und amüsierte sich darüber, wie sein dickes Gesicht bebte. Den wird sie immer haben, wenn der Graf Muffat nicht anbeißen will.
Léoville oder Chambertin? fragte ein Kellner in dem Augenblicke, als Steiner mit Nana sprechen wollte.
Wie ... was, stammelte der Bankier höchst verwirrt; was Sie wollen; mir ist es gleichviel.
Vandeuvres stieß Lucy Stewart mit dem Ellbogen an, die eine böse Zunge hatte. Sie war wütend über Mignon.
Der würde die Kerze dazu halten, sagte sie. Er glaubt, seinen Streich mit dem kleinen Jonquier wiederholen zu können. Sie wissen, was er mit Jonquier tat, der es mit Rosa hielt und »Schneid« auf die lange Laura bekam. Mignon hat Laura dem Jonquier verschafft und diesen dann seiner Frau wieder in die Arme geführt. Diesmal wird er sich aber täuschen; wenn Nana einen erwischt, läßt sie ihn nicht so leicht wieder los.
Was ist denn dem Mignon, daß er auf seine Frau so strenge Blicke wirft? fragte Vandeuvres.
Er neigte sich vor und sah, daß Rosa mit Fauchery sehr zärtlich plauderte. Das erklärte ihm den Zorn seiner Nachbarin. Er fragte lachend:
Zum Teufel, sind Sie etwa eifersüchtig?
Freilich, rief Lucy wütend. Wenn Rosa auf Léon Lust hat, will ich ihn ihr gern überlassen. Was er mir schon wert ist ... Ein Bukett jede Woche und manchmal auch das nicht ... Sehen Sie, mein Lieber, diese Theaterdamen sind alle gleich. Rosa hat geweint vor Wut, als sie den Artikel las, den Fauchery über Nana geschrieben; ich weiß es. Sie will auch so einen Artikel und trachtet, ihn zu gewinnen ... Ich werde Léon die Türe weisen, Sie sollen es sehen. Sie hielt inne, um dem Kellner, der mit den Weinflaschen hinter ihr stand, zu sagen:
Léoville.
Dann fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort.
Ich will keinen Lärm machen, das ist nicht meine Art ... Aber sie ist eine abscheuliche Dirne. An Stelle ihres Mannes würde ich ihr einen rechten Tanz machen. Es wird ihr kein Glück bringen; sie kennt meinen Fauchery nicht ... Ein sauberer Kerl, der sich an die Weiber hängt, um eine Stellung zu gewinnen. Eine nette Gesellschaft.
Vandeuvres suchte sie zu beruhigen. Bordenave, von Rosa und Lucy vernachlässigt, schrie, daß man Papa vor Hunger und Durst umkommen lasse. Das brachte eine glückliche Wendung. Das Essen zog sich in die Länge; niemand aß mehr; auf den Tellern lag der Nachtisch durcheinander. Der Champagner, den man schon seit der Suppe trank, versetzte die Gäste in eine gereizte Trunkenheit. Sie verloren nach und nach ihre gute Haltung. Angesichts der Unordnung auf der Tafel lehnten die Damen die Ellbogen auf den Tisch. Die Herren, um leichter atmen zu können, schoben ihre Sessel zurück; die Fräcke mengten sich mit den hellen Kleidern; die nackten Schultern leuchteten wie Seide. Es war sehr heiß im Saal. Das Kerzenlicht hatte in der dicken Luft einen
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