Nana
Loge gelassen.
Sie eilte zum Kamin, wo sie ihre Beine wärmte und sagte:
Der Prinz ist da.
Ach! riefen die andern neugierig.
Ja, deswegen lief ich vorhin, ich wollte ihn sehen. Er sitzt in der ersten Vorbühnenloge rechts, in derselben wie am Donnerstag. Er kommt jetzt zum dritten Male seit acht Tagen. Hat diese Nana aber Glück.
Das ist nett! bemerkte Simonne. Dreimal ... Ihr wißt doch, daß er nicht zu ihr geht, sondern sie zu sich mitnimmt. Muß ihn ein schönes Stück Geld kosten.
Wenn man gehet in die Stadt ... murmelte Prullière, indem er einen Blick in den Spiegel warf wie einer, der da weiß, daß das Publikum ihn anbetet.
Draußen erscholl bald näher, bald ferner die Stimme des Theaterdieners: Der zweite Akt beginnt.
Fontan, der wußte, wie das Verhältnis zwischen Nana und dem Prinzen begonnen hatte, erzählte den beiden Mädchen die Geschichte. Diese drängten sich nahe an ihn heran und lachten laut, so oft er die Stimme dämpfte, um gewisse Einzelheiten zum besten zu geben. Der alte Bosc blieb völlig teilnahmlos und rührte sich nicht. Diese Geschichten interessierten ihn nicht mehr. Er streichelte eine große rote Katze, die zusammengerollt friedlich auf einer Bank ruhte. Schließlich nahm er sie mit der Miene eines Königs in die Arme, um sie zu liebkosen.
Die Katze krümmte den Rücken, betrachtete eine Weile den langen Bart von Bosc und kehrte dann, ohne Zweifel durch den Leimgeruch verscheucht, auf ihren früheren Platz zurück, um zu schlafen. Bosc saß nun weiter ernst und still auf seinem Platze.
Ich an deiner Stelle würde den Champagner aus dem Kaffeehause holen, der ist besser, sagte er endlich zu Fontan, als dieser seine Geschichte beendet hatte.
Der zweite Akt hat begonnen ... tönte die Stimme des Dieners.
Man hörte hastige Schritte im Gang. Durch die plötzlich geöffnete Türe des Ganges drang ferner Musikklang und ein unbestimmtes Geräusch; dann fiel die Tür mit dumpfem Schlage wieder zu.
Es herrschte wieder tiefe Stille im Künstlerzimmer, als ob es hundert Meilen von dem Saal entfernt sei, wo die Menge klatschte. Simonne und Clarisse fuhren fort mit ihren Schmähungen gegen Nana. Sie sei nicht pünktlich genug und habe sich erst gestern wieder mit ihrem Auftreten verspätet. Plötzlich schwiegen sie; ein großes Mädchen steckte den Kopf herein, zog sich aber sofort wieder zurück, als es sah, daß es sich getäuscht habe. Es war Satin, bekleidet mit Hut und Schleier, in Haltung eine Dame nachahmend, die einen Besuch macht.
Ein sauberes Ding, murmelte Prullière, der Satin seit einem Jahre häufig im Kaffee des Varieté sah.
Simonne erzählte, wie Nana, seitdem sie in Satin eine ehemalige Gefährtin aus dem Pensionat erkannt habe, den Direktor Bordenave bearbeitete, daß er sie auftreten lasse.
Guten Abend, sagte Fontan, Mignon und Fauchery, die eben eintraten, begrüßend.
Auch der alte Bosc reichte ihnen seine Fingerspitzen, während die beiden Mädchen Mignon küßten.
Das Theater gut besucht heute? fragte Fauchery.
Oh, vortrefflich! erwiderte Prullière. Man muß sehen, was die Leute treiben ...
Ihr müßt ja bald an die Reihe kommen, Kinder, sagte Mignon.
Ja, sofort, lautete die Antwort.
Erst in der vierten Szene hatten sie zu tun. Nur Bosc mit seinem Instinkt des alten Komödianten fühlte sein Stichwort kommen und erhob sich. In der Tat erschien der Diener an der Tür und rief herein:
Herr Bosc! Fräulein Simonne!
Simonne warf rasch eine Pelzjacke über ihre Schultern und ging. Bosc beeilte sich nicht sonderlich, er nahm seine Krone vom Klavier und stülpte sie auf den Kopf; dann wankte er, den Mantel nachschleppend, verdrießlich brummend auf die Bühne.
Sie waren sehr gütig in Ihrem letzten Artikel, sagte jetzt Fontan zu dem Journalisten. Aber warum werfen Sie den Schauspielern Eitelkeit vor?
Ja, mein Kleiner, warum tust du das? rief Mignon, indem er mit seinen beiden mächtigen Händen dermaßen auf die schwächlichen Schultern des Journalisten schlug, daß dieser taumelte.
Prullière und Clarisse hielten mühsam das Gelächter zurück. Seit einiger Zeit unterhielt sich das ganze Theater über eine Komödie, die sich hinter den Kulissen abspielte. Mignon, wütend über die Laune seiner Frau und ärgerlich darüber, daß das Verhältnis zu Fauchery dem Haushalte nichts eintrug als Artikel, die für ihn einen zweifelhaften Wert hatten, rächte sich an dem Journalisten in der Weise, daß er ihn mit Freundschaftsbeweisen schwersten Kalibers
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