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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ging in den Vorraum hinaus und las beim Gaslichte, worauf er sich, ohne Zweifel an dergleichen schon gewöhnt, ruhig entfernte. Der weiß, was sich gebührt, dachte Clarisse; nicht wie die andern, die eigensinnig ausharren auf den zerrissenen Strohstühlen in dieser stinkenden Bude der Madame Bron, wo man förmlich gekocht wird. Sie eilte voll Ekel hinauf und berichtete Simonne, was sie gesehen.
    Auf der Bühne plauderte der Prinz mit Nana. Er hatte sie keinen Augenblick verlassen und verschlang sie mit den Blicken. Nana, ohne ihn anzusehen, lächelte und nickte mit dem Kopfe. Von einer mächtigen Aufwallung getrieben, machte sich jetzt Graf Muffat von Bordenave los, der ihm Aufschlüsse gab über die Tätigkeit auf der Bühne, und trat zu Nana, um ihre Unterredung mit dem Prinzen zu unterbrechen. Nana erhob den Blick und lächelte ihm zu, wie sie vorhin dem Prinzen zugelächelt hatte. Dabei lauschte sie fortwährend den Vorgängen auf der Bühne, um ihr Stichwort zu erhaschen.
    Der dritte Akt ist der kürzeste, glaube ich, bemerkte der Prinz, den die Gegenwart des Grafen störte.
    Sie antwortete nicht, sondern warf mit einem hastigen Ruck ihrer Schultern die Jacke ab, die von der hinter ihr stehenden Madame Jules aufgefangen wurde und trat nun, nackt, wie sie war, auf die Bühne.
    Still, still! flüsterte Bordenave.
    Der Graf und der Prinz waren überrascht. Inmitten der tiefen Stille stieg ein tiefer Seufzer, ein fernes Geräusch der Menge empor. Jeden Tag brachte das Auftreten der Venus in ihrer göttlichen Nacktheit die nämliche Wirkung hervor.
    Muffat wollte sie sehen und legte das Auge an eine Öffnung der Kulisse. Über den hell erleuchteten Bogen der Bühne hinaus schien der Saal dunkel, wie angefüllt mit einem rötlichen Rauch; von diesem farblosen Hintergrund, der in nebelhaft bleiches Licht getaucht war durch die langen Reihen von Zuschauern, hob die Gestalt Nanas sich ab, weiß und groß, so daß sie die Aussicht auf die Logen benahm. Er sah ihren Rücken, die gespannten Lenden, die offenen Arme, während zu ihren Füßen der Kopf des Souffleurs sichtbar wurde wie abgeschnitten, der Kopf eines ärmlichen, rechtschaffenen Greises. Bei gewissen Sätzen ihres Eingangsliedes schienen Wellenbewegungen von ihrem Nacken auszugehen, sich über ihren Körper zu verbreiten und in der Schleppe des Überwurfs zu verlieren. Als die letzte Note verklungen war, brach ein Beifallsjubel los und sie dankte, umflattert von dem gazeartigen Überwurf, der ihre ganze Bekleidung bildete. Als der Graf sie so gebeugt mit verbreiterten Hüften sich rückwärts bewegen sah in der Richtung, wo er stand, richtete er sich empor; er war sehr bleich. Die Bühne entschwand seinen Blicken, er sah nichts als die Innenseite der Kulisse, hinter der er stand. Auf dem Dekorationsstück, das als Durchgang diente, zwischen den Reihen von Gasflämmchen, hatte der ganze Olymp sich um Madame Drouard versammelt, die hier schlummerte. Sie erwarteten da den Schluß des Aktes, Bosc und Fontan am Boden sitzend, das Kinn auf die Knie gestützt, Prullière gähnend und sich reckend, ehe er die Szene betrat. Alle matt, schläfrig, mit roten Augen.
    In diesem Augenblicke kam Fauchery, dem Bordenave die Hofseite zu betreten untersagt hatte, und machte sich an den Grafen, um sich in seiner Verlegenheit Haltung zu geben. Er stellte dem Grafen den Antrag, ihm die Ankleidelogen zu zeigen. Muffat, dessen Willenskraft immer mehr schwand, folgte dem Journalisten, nachdem er mit den Augen den Marquis gesucht, der indes nicht mehr da war. Er empfand eine Erleichterung und zugleich eine Unruhe, als er diese Kulissen verließ, wo er Nanas Gesang gehört hatte.
    Fauchery war ihm auf der Treppe vorausgegangen. Es war eine kahle, verfallene Treppe, wie der Graf sie so oft auf seinen Wanderungen als Armenvater in den Wohnstätten des Elends gefunden, die Stufen ausgetreten von dem vieljährigen Gebrauch, die Eisenrampe völlig abgegriffen, wie poliert. Auf jedem Treppenabsatz befand sich ein kleines Fenster in der Mauer, wo zur Nachtzeit hinter einem Drahtgitter eine Gasflamme brannte. Diese Flammen beleuchteten eine trostlose Umgebung und verbreiteten eine Hitze, die immer drückender wurde, je höher man kam.
    Am Fuße der Treppe fühlte der Graf wieder den heißen Atem im Nacken, jenen Frauenduft, der inmitten einer Flut von Licht und Lärm aus den Logen herabströmte. Bei jeder Stufe, die er erstieg, wurde er von dem Duft der Schminken und Essenzen immer mehr

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