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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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betäubt. Im ersten Stock liefen zwei Gänge nach entgegengesetzten Richtungen; da sah man zahlreiche gelb angestrichene Türen mit weißen Nummern, wie die der Hotelzimmer. Der Graf warf einen Blick durch eine halboffene Tür. Er sah einen schmutzigen Raum, dem Laden eines vorstädtischen Perückenmachers gleichend, eingerichtet mit zwei schlechten Sesseln, einem Spiegel und einem Wandschrank mit Fächern, geschwärzt von dem Schmutz der Kämme. Ein langer, in Schweiß gebadeter Mensch war eben damit beschäftigt, das Hemd zu wechseln. In einem ähnlichen Zimmer daneben stand eine Frau, die ihre Handschuhe zuknöpfte und sich anschickte, nach Hause zu gehen. Ihr Haar war in Unordnung und feucht, als komme sie eben aus dem Bade. Fauchery rief den Grafen, und dieser langte eben im zweiten Stockwerke an, als auf dem rechtsseitigen Korridor ein kerniger Fluch hörbar wurde. Mathilde, eine kleine Keusche, hatte ihr Waschbecken zerbrochen, und das Seifenwasser floß auf den Treppenabsatz heraus. Die Tür einer Loge wurde heftig zugeschlagen, als die Herren vorbeikamen. Dann erschienen zwei Frauen im Korsett und hüpften mit einem Sprung über den Gang in die Loge gegenüber. Eine andere erschien, den Saum des Hemdes mit den Zähnen haltend und flüchtete bei dem Anblick der Herren. Sie hörten bald lachen, bald zanken, in einer Loge begann jemand zu singen und unterbrach sich bald wieder. Bei jeder Tür schimmerte ein Stück nackten Leibes, ein Stück weißer Leibwäsche durch. In einer Loge standen zwei Mädchen und zeigten einander die Muttermale an ihren Körper. Eine andere, sehr jung, fast noch ein Kind, hatte ihre Röcke bis über die Knie zurückgestreift, um einen Riß an ihrem Beinkleid rasch zu nähen. Die Ankleidegehilfinnen hatten noch so viel Schamgefühl, um bei dem Anblick der Herren die Türen zuzulehnen oder die Vorhänge herabzulassen. Es war die Hast des Endes, das allgemeine Abwaschen von Schminke und Puder und das Anlegen der gewöhnlichen Toilette. Im dritten Stockwerk überließ sich Muffat völlig dem Taumel, der ihn erfaßt hatte. Hier befand sich die Loge der Statistinnen; zwanzig Frauenzimmer zusammengepfercht, ein greuliches Durcheinander von Seifen und Lavendelwasserflaschen. Es glich dem gemeinsamen Saal in einem Vorstadtfreudenhause. Hinter einer verschlossenen Tür war ein sehr geräuschvolles Abwaschen, ein wahrer Sturm im Waschbecken vernehmbar. Bevor sie in das letzte Stockwerk stiegen, warf er noch einen Blick in einen leeren Raum, dessen Tür sperrangelweitoffen stand. Am Boden lagen Weiberröcke in Unordnung umher, inmitten derselben stand ein Nachttopf.
    Im vierten Stock war's zum Ersticken. Da flossen alle Gerüche, alle Flammen ineinander. Die geschwärzte Decke war wie geräuchert; durch den rötlichen Nebel, der die Luft erfüllte, sah man eine Laterne brennen.
    Der Graf mußte sich auf die Rampe stützen und sog, die Augen schließend, den Duft des weiblichen Geschlechts ein, den er noch nicht kannte und der jetzt mächtig auf ihn eindrang.
    Kommen Sie doch, rief Fauchery, man verlangt nach Ihnen.
    Im Hintergrunde des Korridors befand sich die Loge von Simonne und Clarisse, ein länglicher, baufälliger Raum unter dem Dache. Das Licht kam von oben. Doch jetzt zur Nachtzeit war die Loge mit Gas beleuchtet; die Wände waren mit schlechten Tapeten belegt, welche Rosen darstellten, die sich am grünen Laub emporrankten. Zwei mit schmutziger Wachsleinwand überzogene Bretter dienten als Toilette, darunter standen allerlei Krüge, Flaschen, Töpfe und Tiegel mit schmutzigem Wasser, Ölen, Pulvern usw. Ein ganzer Trödelmarkt, alles schlecht und verdorben durch den langen Gebrauch, zerbrochene Waschbecken, zahnlose Kämme: die ganze Unordnung, die zwei Frauen zurücklassen, die hier in aller Eile sich umkleiden und fortzukommen trachten.
    Kommen Sie doch endlich, wiederholte Fauchery in jenem vertraulichen Tone, den die Männer vor Mädchen annehmen; Clarisse will sie umarmen.
    Muffat trat endlich ein. Doch wie erstaunte er, als er den Marquis Chouard zwischen den zwei Toilettebrettern auf einem Sessel sitzen sah. Hierher hatte der Marquis sich zurückgezogen. Er hatte die Füße auseinandergetan, um einer Lache Platz zu machen, die aus einem geborstenen Wassereimer floß. Man sah es ihm an, daß er sich hier wohl und heimisch fühlte inmitten dieses Schmutzes und dieser ruhigen Schamlosigkeit der Weiber.
    Gehst du mit dem Alten? flüsterte Clarisse ihrer Freundin ins Ohr.
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