Nana
nahm die Gesellschaft nur einen Teil der großen Tafel ein, man rückte zusammen, um näher beieinander zu sein. Gräfin Sabine war sehr heiter und schwelgte in Jugenderinnerungen; sie gedachte der Monate, die sie in Fondettes verbracht, der Spaziergänge, und wie sie einmal im Sommer ins Wasser gefallen, und wie sie einst auf dem Kamin einen alten Ritterroman entdeckte, der dann an langen Winterabenden gelesen wurde. Georges, der die Gräfin seit einigen Monaten nicht gesehen, fand sie recht drollig, nur etwas verändert: Estella hingegen war flacher, schweigsamer und linkischer denn je.
Madame Hugon beklagte sich über den Metzger in Orleans, der ihr kein gutes Fleisch liefere; so komme es, daß das Frühstück nur aus Eiern und Koteletten bestehe. Die Gäste hätten es übrigens nur sich selbst zuzuschreiben, wenn die Kost schlecht sei, denn sie seien zu spät im Jahre gekommen. Sie habe sie schon im Juni erwartet, und jetzt sei man im halben September. Das sei gar nicht artig. Dabei wies sie auf die Bäume im Garten, die sich zu entlauben begannen. Der Himmel war leicht bewölkt; in der Ferne senkte ein bläulicher Dunst sich nieder, welcher der Landschaft einen friedlichen und trüben Reiz verlieh.
Ich erwarte Gesellschaft, fuhr sie fort, dann soll es lustiger werden. Zunächst zwei Herren, die Georges eingeladen: Fauchery und Daguenet; die kennen Sie wohl? Dann Herrn von Vandeuvres, der mir seit fünf Jahren seinen Besuch verspricht. Diesmal wird er sich vielleicht doch endlich entschließen.
Und Philipp? fragte Muffat.
Philipp hat Urlaub verlangt, aber Sie werden kaum mehr bei uns sein, wenn er in Fondettes ankommt.
Man brachte den Kaffee. Man sprach von Paris und Steiners Name wurde genannt.
Beiläufig, Steiner, sagte Frau Hugon. Das ist wohl der dicke Herr, den ich eines Abends bei Ihnen sah? Ein Bankier, nicht wahr? Ist das ein häßlicher Mensch! Denken Sie sich, er hat für eine Schauspielerin ein Landgut angekauft in unserer Nachbarschaft, jenseits des Flüßchens Choue, in der Nähe von Gumiéres. Die ganze Gegend ist entrüstet darüber. Wußten Sie was davon?
Nicht das Geringste, entgegnete Muffat. Ach, Steiner hat ein Landgut in der Umgebung gekauft! ...
Georges, der während der Worte seiner Mutter die Nase in seine Tasse gesteckt hatte, blickte bei der Antwort des Grafen erstaunt auf. Warum log er denn so keck? Der Graf blickte mißtrauisch auf den jungen Mann, als er die Bewegung sah. Madame Hugon erzählte weitere Einzelheiten über die Angelegenheit. Das Landgut heiße La Mignotte. Um dahin zu gelangen, müsse man längs der Choue hinauf bis nach Gumiéres gehen und dort über die Brücke. Das verlängere den Weg um zwei Kilometer. Wolle man den Weg abkürzen, durch das Flüßchen waten, so riskiere man ein Bad.
Und wie heißt denn diese Schauspielerin? fragte die Gräfin.
Ach, man hat es mir wohl gesagt, aber ich vergaß es wieder. Georges, du warst ja dabei, als der Gärtner diese Dinge erzählte; wie heißt sie denn?
Georges tat, als ob er nachdenke. Muffat wartete und drehte einen Löffel zwischen den Fingern. Da wandte die Gräfin sich an ihren Gemahl mit der Frage:
Hat dieser Steiner nicht ein Verhältnis mit der Schauspielerin Nana vom Varietétheater?
Richtig, Nana; oh, es ist abscheulich! rief Madame Hugon ärgerlich. Man erwartet in La Mignotte ihre Ankunft. Ich habe all das vom Gärtner erfahren. Nicht wahr, Georges, der Gärtner sagte, man erwarte sie für heute abend?
Der Graf erschreckte überrascht zusammen.
Doch Georges antwortete lebhaft:
Oh, Mama, der Gärtner war nicht gut unterrichtet. Der Kutscher erzählte mir soeben, man erwarte in La Mignotte niemanden vor übermorgen.
Er nahm eine unbefangene Miene an und beobachtete den Eindruck seiner Worte auf den Grafen. Dieser fuhr fort, gleichsam beruhigt, mit dem kleinen Löffel zu spielen. Die Gräfin blickte in die blaue Ferne und schien an dem Gespräch keinen Anteil mehr zu nehmen. Sie lächelte kaum merklich; ein geheimer Gedanke schien sie zu beschäftigen. Estella saß steif auf ihrem Sessel; bei den Geschichten über Nana rührte sie sich nicht; keine Fiber zuckte in ihrem weißen, jungfräulichen Gesichte.
Aber, mein Gott, sagte jetzt Madame Hugon; es ist gar nicht recht, daß ich mich so ereifere. Es muß doch jeder leben ... Wenn wir diese Dame treffen, so werden wir sie nicht grüßen, und die Sache ist abgetan.
Man verließ die Tafel, und Madame Hugon machte der Gräfin nochmals Vorwürfe darüber,
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