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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der Gaslichter machte er kehrt. Ungefähr eine Stunde lang lief er so durch die dunkelsten Gassen dieses Viertels. Ohne Zweifel hatte er ein bestimmtes Ziel, zu welchem ihn seine Füße über allerlei Umwege trugen. An einer Straßenecke blickte er endlich auf. Er war am Ziel: es war die Ecke der Taitbout-Straße und der Provence-Straße. Zu einem Wege von fünf Minuten hatte er in seiner furchtbaren Erregung eine Stunde gebraucht. Er erinnerte sich, daß er im verflossenen Monat eines Morgens Fauchery besucht hatte, um ihm dafür zu danken, daß er in einem Artikel über einen Hofball ihn genannt hatte. Die Wohnung des Journalisten befand sich im Halbstock; die kleinen, viereckigen Fenster waren halb verborgen hinter einer riesigen Firmentafel. Das letzte Fenster links war erleuchtet; ein Lichtstrahl drang durch die halboffenen Vorhänge. Der Graf blickte unverwandt nach diesem Fenster: er erwartete etwas.
    Der Mond war von dem pechschwarzen Himmel verschwunden; ein eisiger Nebel senkte sich aus der Höhe nieder. Im Turme der Dreifaltigkeitskirche schlug es zwei Uhr. Muffet stand unbeweglich auf seinem Platze. Der erleuchtete Raum war Faucherys Schlafzimmer. Der Graf erinnerte sich genau: es war rot tapeziert, im Hintergrunde stand ein großes Bett im Stile Louis XIII. Die Lampe mußte rechts auf dem Kamin stehen. Sie waren ohne Zweifel zu Bett gegangen, denn es rührte sich kein Schatten in dem Zimmer. Der Lichtstreif fiel unbeweglich gleich dem Widerschein einer Nachtlampe durch das Fenster. Immer unverwandt in die Höhe starrend faßte der Graf einen Plan. Er wollte läuten, trotz des etwaigen Widerstandes des Hausmeisters hinaufgehen, die Tür einrennen und sie im Bett überraschen. Sie sollten nicht einmal Zeit haben, ihre Arme freizumachen. Der Gedanke, daß er keine Waffe bei sich habe, hielt ihn einen Augenblick zurück; dann beschloß er, sie zu erwürgen. Er kam auf seinen Plan zurück und durchdachte ihn vollkommen, nur wartete er auf irgendein Zeichen, um sicher zu gehen. Hätte in diesem Augenblick ein weiblicher Schatten sich gezeigt, er würde augenblicklich geläutet haben. Aber der Gedanke, daß er sich täuschen könne, machte ihn nachdenklich. Was sollte er dann sagen? Zweifel stiegen in ihm auf. Seine Frau konnte nicht bei diesem Manne sein. Der Gedanke war ungeheuerlich, unmöglich. Doch blieb er, durch das lange Warten allmählich erschlaffend, auf seinem Posten.
    Ein heftiger Regenguß ging nieder. Jetzt näherten sich zwei Polizisten. Er mußte den Torwinkel verlassen, in den er sich geflüchtet hatte. Als sie sich entfernt hatten, kehrte er durchnäßt und fröstelnd wieder zurück. Das Fenster war noch immer erleuchtet. Er war im Begriff wegzugehen, als ein Schatten vor dem Fenster vorbeihuschte. Das geschah so schnell, daß er sich getäuscht zu haben glaubte. Wieder tauchten Schatten auf, es schien im Zimmer lebendig geworden zu sein. Der Graf stand festgebannt an der gleichen Stelle. Er fühlte ein unerträgliches Brennen und wartete, um genauer zu erfahren, was da vor sich gehe. Er sah die flüchtigen Schatten von Armen und Beinen vorbeihuschen. Eine Riesenhand bewegte sich mit dem Schattenriß eines Wasserkruges dahin. Der Graf vermochte nichts Bestimmtes zu unterscheiden, doch glaubte er einmal einen Haarknoten zu erkennen. Er glaubte die Frisur Sabinens zu erkennen, doch war der Hals zu dick. Er sah nichts und hörte nichts deutlich. Es brannte so heftig in ihm, daß er sich an das Tor lehnen mußte. Indessen waren die Schatten wieder verschwunden. Ohne Zweifel hatten die beiden sich wieder ins Bett gelegt.
    Der Graf beobachtete noch immer. Es schlug drei Uhr, dann vier Uhr. Er vermochte sich nicht von der Stelle zu rühren. Wenn der Regen kam, drückte er sich eng in seinen Torwinkel. Es kam niemand mehr vorüber. Zuweilen schloß er die Augen, als ob sie ausgebrannt würden durch den Lichtstreif, den sie so hartnäckig betrachteten. Noch zweimal tauchten die Schatten im Zimmer auf, die Hände mit dem Wasserkrug; dann wurde es wieder ruhig, die Lampe warf ihr schwaches Licht durch das Fenster. Diese Schatten vermehrten noch seine Zweifel. Überdies beschwichtigte ihn der Gedanke, daß ihm ja die Befriedigung seines Rachebedürfnisses nicht verloren gehe; er brauche nur abzuwarten, bis sie das Haus verließ. Er werde sie erkennen. Das war das einfachste; keinen Skandal, sondern Gewißheit. Es genügte auszuharren. Von allen Gefühlen, die ihn beherrschten, war nichts übrig

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