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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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alle schlecht; die hohen wie die niedrigen.
    Sie schimpfte auf alle Frauen, um den Streich zu mildern, den sie gegen ihn geführt. Doch er hörte sie nicht mehr: er zog in aller Hast Schuhe und Überrock wieder an, rannte noch eine Weile im Zimmer umher und ging. Nana blieb, ziemlich verdrossen, allein.
    Glückliche Reise, rief sie dem Davoneilenden nach. Der ist aber wenig höflich, wenn man mit ihm spricht ... Und da habe ich mich noch bemüht, ihn zu schonen, habe zuerst eingelenkt, habe mich entschuldigt. Warum kam er aber auch, um mich zu ärgern?
    So suchte sie sich selbst zu beruhigen, doch blieb sie in gedrückter Stimmung. Sie rieb sich eine Weile die Beine mit beiden Händen, dann schien sie mit der Lage sich abzufinden, denn sie meinte:
    Ach was. Ist's meine Schuld, wenn er ein Hahnrei ist?
    Gebraten von allen Seiten, schlüpfte sie ins Bett und läutete Zoé, damit sie den anderen einlasse, der bis jetzt in der Küche gewartet hatte.
    Muffat eilte hastig fort. Es hatte seitdem noch geregnet und das nasse Pflaster war glatt. Er blickte unwillkürlich in die Höhe und sah einzelne Wolkenfetzen vor dem Monde dahineilen. Zu dieser späten Abendstunde gab es auf dem Boulevard Haußmann nur wenig Passanten. Er eilte längs der Magazine der großen Oper zu, wobei er die dunklen Teile der Straße suchte, und murmelte ohne Zusammenhang Worte vor sich hin. Die Dirne log. Aus Dummheit und Grausamkeit hatte sie diese Geschichte erfunden. Er hätte ihr den Kopf zertreten sollen, als er sie unter seinen Füßen hatte. Er würde sie nie wieder sehen, nie mehr berühren, sonst wäre er ein Feigling. Es war zu schändlich! ... Er seufzte erleichtert auf. Ha ... dieses nackte, dumme Ungeheuer, das sich brät wie eine Gans, will alles mit Füßen treten, was er seit vierzig Jahren achten gewohnt war.
    Der Mond war inzwischen klar hervorgetreten; die öde Straße schwamm in einem weißen, hellen Lichte. Eine ungeheure Furcht ergriff ihn plötzlich, als ob er in einen bodenlosen Abgrund gestürzt sei; er war in Verzweiflung und brach in Schluchzen aus.
    Mein Gott, stammelte er, es ist alles zu Ende ... Für mich gibt es gar nichts mehr.
    Auf den lang gestreckten Boulevards begegnete er vereinzelten Fußgängern. Er suchte sich zu beruhigen. Die Geschichte, die diese Dirne ihm erzählt hatte, tauchte in seinem brennenden Gehirn immer wieder auf, er suchte sich die Tatsachen zu erklären. Die Gräfin sollte am nächsten Morgen vom Schlosse der Frau Chezelles zurückkehren. Nichts hinderte sie aber, schon am Abend vorher nach Paris zu kommen und die Nacht bei diesem Manne zuzubringen. Er erinnerte sich jetzt gewisser Einzelheiten aus der Zeit des Aufenthaltes in Fondettes. Eines Abends hatte er Sabine im Dunkel der Bäume so erregt gefunden, daß sie auf seine Frage keine Antwort zu geben wußte – und dieser Mann befand sich in der Nähe. Warum sollte sie nicht jetzt bei ihm sein? Je länger er über die Sache nachdachte, desto wahrscheinlicher wurde sie ihm. Zum Schlusse fand er sie selbstverständlich: während er es bei einer Dirne sich bequem macht, entkleidet seine Gemahlin sich im Zimmer ihres Geliebten. Nichts ist natürlicher! ... Indem er so schloß, suchte er, kaltes Blut zu bewahren. Er hatte das Gefühl, als ob der Wahnsinn des Fleisches immer weitere Kreise erfasse und schließlich alles zu Fall bringe. Die Erscheinung der nackten Nana rief die Erscheinung der nackten Sabine hervor. Bei diesem Bilde, das die beiden Frauen in der Verwandtschaft ihrer Schamlosigkeit, in dem nämlichen Hauch der Wollust einander näher brachte, strauchelte er. Eine Droschke, die auf der Straße dahinraste, hätte ihn fast überfahren. Aus einem Kaffee traten einige Mädchen, die ihn lachend anstießen. Er flüchtete in das Dunkel der Rossini-Straße; längs der Häuser dahineilend, weinte er wie ein Kind.
    Es ist alles zu Ende ... sagte er nochmals mit dumpfer Stimme. Er weinte so heftig, daß er sich an ein Tor lehnen mußte und das Gesicht in den durchnäßten Händen barg.
    Das Geräusch herannahender Schritte verscheuchte ihn. Er floh mit dem unsicheren Schritte eines nächtlichen Schwärmers; Scham und Furcht ließen ihn die Menschen meiden. Wenn Fußgänger ihm begegneten, suchte er eine unbefangene Haltung anzunehmen, aus Furcht, daß man in dem Zucken seines Gesichtes seine Geschichte lesen könnte. Er war durch die Große Schifferstraße bis zur Vorstadt Montmartre-Straße gekommen. Unangenehm berührt durch den hellen Glanz

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