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Nanking Road

Nanking Road

Titel: Nanking Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne C. Voorhoeve
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weg war. Mamu steckte mich derart an mit ihrer Unruhe, dass ich nach einigen Bissen fast nichts mehr herunterbrachte. Obwohl dies äußerst unklug war, denn wenn man uns tatsächlich nicht aufs Schiff ließ, war die Frage nach unserer nächsten Mahlzeit schließlich noch völlig offen.
    In der Regel fand ich mich bei Meinungsverschiedenheiten auf der Seite meines Vaters wieder, doch diesmal hatte Mamu Recht. Was, wenn Papa das Schiff verpasste, oder schlimmer noch: wieder verhaftet und von uns getrennt wurde? Ich malte mir aus, wie Mamu und ich auf einem der langen weißen Decks standen, ganz weit oben, und hilflos zu meinem Vater hinunterwinkten. Wie die Treppe weggezogen wurde, wie die Motoren zu dröhnen begannen, wie Papas einsame Gestalt am Kai kleiner und kleiner wurde …
    Ich schob meinen Teller von mir. Papa brachte unser ganzes Unternehmen in Gefahr!
    Doch als wir mit unseren Koffern an den Schiffsanleger gehetzt kamen, war mein Vater bereits dort und begrüßte uns mit den Worten: »Der Wanderer stand noch am Bahnhof!«
    Mamu war so erleichtert, dass sie fast in Tränen ausbrach. »Ist das ein Grund, uns in Angst und Schrecken zu versetzen? Du hättest genug Zeit gehabt, in die Pension zurückzukommen!«
    Ich machte meinem Vater keine Vorwürfe, ich wusste gar nicht, wie das ging. Aber als er mir meinen Koffer abnehmen wollte, schob ich seine Hand einfach weg.
    Weiter vorn war die Gangway zum Schiff bereits offen, um an Bord gehen zu können, und ein Kran hievte über unsere Köpfe hinweg Container und riesige Lastnetze zu den Frachträumen. Im Inneren des Schiffes hörte ich die Ladung krachend zu Boden gehen und schwere Ketten ohrenbetäubend über die Planken rasseln, bevor sie im nächsten Augenblick leer und bedrohlich schwankend wieder über uns auftauchten. Wir beeilten uns, von der Frachtseite weg und zu dem Teil des Schiffes zu gelangen, wo mittlerweile eine Droschke nach der anderen vorfuhr und Passagiere absetzte. So zielbewusst und erwartungsfroh, wie sie die Treppe zur Scharnhorst hinaufstiegen, musste ich unwillkürlich an Postkarten mit der Aufschrift Gruß vom Matterhorn denken.
    In einer Droschke kamen auch Konitzers und gaben sich alle Mühe, wie normale Kreuzfahrttouristen auszusehen. Herr Konitzer winkte großmütig zu uns hinüber, aber sie machten keine Anstalten, sich zu uns zu gesellen, sondern ließen ihre Koffer ausladen, gaben dem Kutscher ein Trinkgeld und näherten sich gemessenen Schrittes der Einstiegstreppe.
    Wir dagegen standen wie angewurzelt, umgeben von einer Wolke aus Angst, und starrten auf Konitzers und die uniformierten Deutschen links und rechts der Gangway. Auf die Papiere, die aus Herrn Konitzers Hand in die des Kontrolleurs wechselten, auf Herrn Konitzers schweißnassen Kragen. Der Kontrolleur prüfte die Papiere, rasch und routiniert, als mischte er einen Stapel Karten – und winkte Konitzers durch!
    Mischa und sein Vater hatten es danach sichtlich eilig, aufs Schiff zu kommen, aber Frau Konitzer drehte sich in der Mitte der Gangway noch einmal um und machte ermutigende Bewegungen in unsere Richtung. Nach dem Stempel für die medizinische Untersuchung hatte also niemand gefragt! Dennoch wog mein Koffer auf den letzten Metern doppelt so schwer, während wir uns den Kontrolleuren näherten.
    Der Mann sah uns nicht einmal richtig an, bevor er unsere Papiere zurück und die Treppe freigab. Mit weichen Knien, noch halb ungläubig, stolperten wir aufs Schiff.
    »Willkommen auf der Scharnhorst !«
    Eine freundliche weibliche Stimme, blaue Uniform, schräg stehende Mütze. Ich fühlte mich wie unversehens auf eine Bühne gestoßen. Verstört, ohne Text, starrten wir die Stewardess an.
    »Hier ist Ihr Kabinenschlüssel«, erklärte sie nachsichtig. »Sie finden die Touristenklasse im mittleren Teil des Schiffes. Sie haben noch etwas Zeit, sich einzurichten, aber verpassen Sie nicht das Ablegen in einer halben Stunde.«
    Mamu bewegte ihre Lippen zu einem Dank. Sie sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Im nächsten Augenblick trugen wir unsere Koffer auch schon einen der Freigänge entlang, die ich vor einer Minute noch von unten gesehen hatte. Ein Schachfeld war auf die Planken gemalt und an der Wand aufgereiht standen hölzerne Liegestühle mit am Fußende gefalteten Decken. Einige Liegestühle waren belegt von Leuten, die trotz des Tumults um uns herum in aller Ruhe lasen oder Briefe schrieben.
    Zur Wasserseite war der Gang offen und gab den Blick frei auf

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