Naokos Laecheln
teuer wirkenden grauen Anzug, ich einen gewöhnlichen marineblauen Blazer.
Nach einer Viertelstunde erschien auch Hatsumi, in einem hinreißenden dunkelblauen Kleid und eleganten roten Pumps. Sie war sorgfältig geschminkt und trug goldene Ohrringe. Als ich ihr ein Kompliment zur Farbe ihres Kleides machte, erklärte sie mir, man nenne sie Mitternachtsblau.
»Ein tolles Restaurant«, sagte sie.
»Mein Vater ißt immer hier, wenn er nach Tōkyō kommt. Ich war schon einmal mit ihm hier, aber im Grunde habe ich für solche großkotzigen Schuppen nicht viel übrig.«
»Ach, manchmal ist es doch ganz nett, in einem zu essen, oder? Findest du nicht, Tōru?«
»Klar. Solange ich nicht bezahlen muß.«
»Mein alter Herr hat in Tōkyō eine Geliebte, die er immer hierhin ausführt«, erzählte Nagasawa.
»So?« sagte Hatsumi.
Ich trank meinen Wein und tat, als hätte ich nichts gehört.
Kurz darauf kam der Kellner, um unsere Bestellung aufzunehmen. Nach der Suppe und den Hors d’oeuvres wählte Nagasawa als Hauptgericht Ente, während Hatsumi und ich uns für Flußbarsch entschieden. Da die einzelnen Gänge in gebührendem Abstand serviert wurden, hatten wir Zeit, uns ausgiebig beim Wein zu unterhalten. Zuerst erzählte Nagasawa von seiner Prüfung für das Auswärtige Amt. Die meisten Kandidaten seien Schrott gewesen, den man ebensogut in eine bodenlose Grube hätte schmeißen können, erklärte er, auch wenn vielleicht ein paar darunter gewesen seien, die etwas auf dem Kasten hatten. Ich fragte ihn, ob er den Anteil von Guten und Schlechten für höher oder niedriger halte als in der Gesellschaft insgesamt.
»Natürlich genauso«, sagte er, als verstünde sich das von selbst. »Es ist überall das gleiche – ein unveränderliches Naturgesetz.«
Als wir die Flasche Wein geleert hatten, bestellte er eine weitere und für sich einen doppelten Scotch.
Hatsumi begann wieder einmal über ein Mädchen zu reden, mit dem sie mich bekannt machen wollte. Ein ewiges Thema zwischen uns. Ständig wollte sie mir »eine ganz süße Studentin aus meinem Club« vorstellen, und ich fand jedesmal eine Ausrede.
»Aber sie ist wirklich sehr lieb. Und sie sieht klasse aus. Nächstes Mal bring ich sie mit. Du mußt wenigstens einmal mit ihr reden. Sie gefällt dir bestimmt.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte ich. »Erstens bin ich zu arm, um mit Mädchen von deiner Uni auszugehen. Und zweitens wüßte ich nicht, was ich mit ihnen reden sollte.«
»Ach, hab dich nicht so. Sie ist ein ganz natürliches, unkompliziertes Mädchen. Überhaupt nicht hochnäsig.«
»Komm schon, Watanabe, einmal kannst du dich doch mit ihr treffen«, sagte Nagasawa. »Du mußt es ja nicht mit ihr treiben.«
»Allerdings nicht!« sagte Hatsumi. »Sie ist noch Jungfrau.«
»Wie du früher.«
»Genau – wie ich früher«, sagte Hatsumi lächelnd. »Aber Tōru, hör doch mal, das hat doch alles nichts mit Geld zu tun. Natürlich gibt es immer ein paar arrogante Ziegen, aber wir anderen sind völlig normal. Wir essen für zweihundertfünzig Yen in der Mensa zu Mittag…«
»Hatsumi, bitte«, unterbrach ich sie. »Bei uns in der Mensa gibt es drei Menüs – A, B und C. A kostet hundertzwanzig Yen, B hundert Yen und C nur achtzig. Und wer sich C nicht leisten kann, ißt Ramen-Nudeln zu sechzig Yen. So ist das an meiner Uni. Verstehst du jetzt?«
Hatsumi lachte sich fast kaputt. »Das ist ja billig! Ich sollte auch in eurer Mensa essen. Aber, Tōru, mal im Ernst. Du bist so ein netter Kerl, ihr würdet euch bestimmt verstehen. Vielleicht mag sie sogar das Menü zu hundertzwanzig Yen!«
»Ausgeschlossen«, sagte ich lachend. »Das schmeckt keinem. Wir essen es nur, weil wir uns nichts anderes leisten können.«
»Du solltest nicht so sehr nach Äußerlichkeiten urteilen. Wir gehen zwar auf diese Uni für betuchte höhere Töchter, aber die meisten dort sind ganz seriöse Mädchen, die das Leben ernst nehmen. Nicht alle sind auf der Suche nach einem Freund mit Sportwagen.«
»Das weiß ich doch«, sagte ich.
»Allerdings ist Watanabe schon verliebt«, mischte sich Nagasawa ein. »Aber kein Wort kommt über seine Lippen, er schweigt wie ein Grab. Sehr mysteriös, das Ganze.«
»Stimmt das?« fragte Hatsumi.
»Es stimmt, aber mysteriös ist es nicht. Nur kompliziert und schwer zu erklären.«
»Eine hoffnungslose Liebe? Da kann ich dich beraten.«
Ich nahm einen Schluck Wein, um mich vor einer Antwort zu drücken.
»Da siehst du’s! Seine Lippen
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