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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Kinokuniya, in der es voll war wie in einer U-Bahn zur Hauptverkehrszeit, kaufte ich mir Licht im August, ging in das lauteste Jazzcafé, das ich kannte, und las in meinem neuen Buch, während ich Ornette Coleman und Bud Powell hörte und starken, aber miserablen Kaffee trank. Gegen halb sechs klappte ich mein Buch zu, verließ das Café und nahm irgendwo ein leichtes Abendessen ein. Wie viele Sonntage, wie viele Hunderte solcher Sonntage wohl noch vor mir lagen? »Ruhig, friedlich und einsam«, sagte ich laut vor mich hin. Sonntags zog ich meine Feder nicht auf.

8. Kapitel
    Mitte der Woche schnitt ich mir mit einem Stück Glas tief in die Handfläche. Ich hatte nicht gesehen, daß eine der gläsernen Trennscheiben in einem der Plattenregale einen Sprung hatte. Erstaunlich viel Blut floß aus der Wunde und färbte den Boden zu meinen Füßen rot. Nachdem mein Chef die Hand fest mit ein paar Handtüchern umwickelt hatte, machte er telefonisch eine Unfallstation ausfindig, die auch nachts geöffnet war. Normalerweise war er ein Trottel, aber in diesem Fall erwies er sich als sehr tatkräftig. Obwohl die Notarztpraxis glücklicherweise ganz in der Nähe lag, waren die Handtücher blutgetränkt, bis ich dort ankam, und das Blut begann schon auf den Asphalt zu tropfen. Die Leute beeilten sich, mir den Weg frei zu machen. Anscheinend nahmen sie an, ich sei bei einer Schlägerei verletzt worden. Ich verspürte keinen nennenswerten Schmerz, nur das Blut wollte nicht aufhören zu fließen.
    Der Arzt entfernte völlig ungerührt die blutigen Lappen und stillte die Blutung, indem er mir mit einer Aderpresse das Handgelenk abband, dann desinfizierte und nähte er die Wunde. Mit der Anweisung, am nächsten Tag noch einmal vorbeizukommen, entließ er mich. Mein Chef schickte mich nach Hause, rechnete mir aber den Abend als Arbeitszeit an. Ich fuhr mit dem Bus ins Wohnheim zurück. Da ich wegen des Unfalls noch aufgedreht war und gern mit jemandem gesprochen hätte, klopfte ich bei Nagasawa an, den ich schon eine Zeitlang nicht gesehen hatte.
    Er sah sich gerade bei einer Dose Bier einen Spanischkurs im Fernsehen an. Als er meinen Verband sah, erkundigte er sich, was passiert sei. Nur ein Unfall, nichts Schlimmes, versicherte ich ihm. Das Bier, das er mir anbot, lehnte ich ab.
    »Hast du noch einen Augenblick Zeit? Das da ist gleich zu Ende«, sagte Nagasawa. Es ging gerade um spanische Ausspracheübungen. Ich erhitzte Wasser und machte mir einen Beuteltee. Die Spanierin im Fernsehen las Beispielsätze vor. »Es hat noch nie so stark geregnet. In Barcelona wurden viele Brücken zerstört.« Nagasawa las die Sätze laut auf Spanisch mit. »Blöde Sätze«, sagte er schließlich. »Aber so sind Sprachkurse nun mal.«
    Als der Spanischkurs beendet war, schaltete er den Fernseher ab und nahm sich aus seinem kleinen Kühlschrank noch ein Bier.
    »Störe ich dich auch nicht?« fragte ich.
    »Überhaupt nicht. Mir war sowieso langweilig. Willst du wirklich kein Bier?«
    »Nein, danke.«
    »Ich hab neulich meine Prüfungsergebnisse erhalten. Bestanden!«
    »Die Prüfung fürs Auswärtige Amt?«
    »Genau, offiziell das ›Staatsexamen Erster Klasse zur Aufnahme in den Dienst des Auswärtigen Amtes‹. Idiotisch, was?«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich und streckte ihm die linke Hand entgegen.
    »Danke.«
    »Nicht, daß ich überrascht wäre.«
    »Nein, ich auch nicht.« Nagasawa lachte. »Aber es ist trotzdem ganz gut, es schwarz auf weiß zu haben.«
    »Gehst du gleich ins Ausland, wenn du anfängst?«
    »Nee, zuerst kommt ein Jahr Ausbildung in Japan. Erst danach wird man für eine Weile ins Ausland geschickt.«
    Ich schlürfte meinen Tee, und er trank mit offenkundigem Genuß sein Bier.
    »Wenn ich hier ausziehe, kriegst du meinen Kühlschrank«, verkündete Nagasawa. »Wenn du ihn willst. Dann kannst du jederzeit ein kaltes Bier trinken.«
    »Natürlich, gern, aber brauchst du ihn nicht selbst? Wenn du in ein eigenes Apartment ziehst oder so?«
    »Quatsch. Wenn ich hier ausziehe, kaufe ich mir einen großen Kühlschrank und lebe im Luxus. Vier Jahre habe ich jetzt hier rumgeknickert. Ich will das Zeug, das ich hier habe, nicht mehr sehen. Du kannst alles haben – den Fernseher, die Thermosflasche, das Radio.«
    »Ich nehme alles dankend an, was du nicht mehr brauchst«, sagte ich. Ich betrachtete das Spanischbuch auf seinem Schreibtisch. »Du hast angefangen, Spanisch zu lernen?«
    »Ja, je mehr Sprachen ich kann, desto besser.

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