Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narcopolis

Narcopolis

Titel: Narcopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeet Thayil
Vom Netzwerk:
wollen. He, he, he, Fahrer, rief irgendwer, siehst du ein Schwein, fahr es um; wir haben Hunger. Der Fahrer lächelte, sagte aber nichts. Lee kamen die Garden wie Teenager vor; sie waren unausstehlich und schamlos. Und sie schwiegen keine Sekunde still. Im Restaurant bestellten sie
char siu fan
und Bier; als es aber ans Bezahlen ging, sagten sie dem Besitzer, sie hätten kein Geld. Lee hatte Bares dabei, aber die jungen Leute ließen nicht zu, dass er seinen Geldbeutel hervorholte. Nein, nein, Sie sind unser Gast. Wollen Sie, dass wir unser Gesicht verlieren? Man wandte sich an den Besitzer. Wir laden Sie nach Peking ein, wurde ihm gesagt. Kommen Sie nach Peking, dann können wir revolutionäre Ideen austauschen. Sie sollen unser Gast sein. Der Mann ließ sich auf keinen Streit ein; er wusste es besser.
    •••
    Abends machte Lee von seinem Hotel aus einen Anruf, aber die Vermittlung richtete ihm aus, Pang Mei sei nicht daheim. Er versuchte es stündlich aufs Neue und gab erst bei Tagesanbruch auf. Am nächsten Morgen kam er zu spät zum Treffen mit jenem Mann, den Kommissar Hu einen Warlord genannt hatte. General Lo Tsai-ta stand auf, sobald man Lee ins Zimmer führte. Doch statt ihn willkommen zu heißen, griff der General nach seinen Zigaretten, entschuldigte sich und verschwand. Einige Zeit darauf kam ein Assistent, um Lee auszurichten, dass der General erst später wieder Zeit habe; es hätte im Bahnhof einen Notfall gegeben, der die Anwesenheit des Generals erforderte. Lee verließ das Gebäude, ging bis ans Ende der Straße und wandte sich nach rechts, als wisse er, wohin er gehe. Es gab keine Busse, auch keine Taxis, aber die Straße war voller Menschen. In den Ecken lagen Müll und alte Zeitungen. Er ging weiter, bis er zu einer Brücke kam, einer berühmten, im ganzen Land als Wunder moderner Ingenieurskunst bekannten Brücke. Darunter hockte ein Mann und kochte Reis für seine Familie. Im Fluss schwammen Leute; vereinzelt hingen Kleider über dem Geländer. Lee ging an einer Art Arbeitsgruppe vorbei, fünf, sechs Schüler, die im Kreis saßen und einer Frau zuhörten, die etwas aufsagte. War es ein Gedicht? Ein Liedtext? Er konnte einige Zeilen aufschnappen:
    Die Welt steht in Flammen; Zeit ist eine Bombe.
    Zehntausend Jahre sind nicht genug,
    Wenn so vieles bleibt zu tun.
    Jetzt konnte er den gesamten Brückenbogen sehen. Ihm fiel auf, dass überall auf der Brücke kleine Ansammlungen von Leuten saßen und dass sich am anderen Ende eine Art Hindernis befand. Er hielt inne, als er sah, worum es sich handelte, hielt inne, drehte sich um und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Ein Bus stand quer über die Straße, und dahinter reihte sich eine lange Schlange von Autos, LKW s und Militärfahrzeugen aneinander, die sich so weit hinzog, wie das Auge reichte. Die Fahrer waren verschwunden, und die Fahrzeuge sahen aus, als sei ewig niemand mehr damit gefahren. Reglos, wie zu Zement erstarrt, lag darunter der schlammige Yangtse.
    •••
    Es war Abend, als er ins Büro des Generals zurückkehrte. Lo Tsai-ta saß auf dem Sofa, einen Panamahut über geschlossenen Augen, eine brennende Zigarette in der Hand. Zum Hut trug er ein weißes Hemd und eine Leinenhose, machte insgesamt aber weniger einen eleganten als vielmehr einen erschöpften Eindruck und schien zum Sprechen zu müde. Im Zimmer hielten sich noch zwei Männer auf, die Lee grüßten, als würden sie ihn schon lange kennen. Einer der beiden, ein Offizier, der als Namen nur Tung angab, führte ihn an einen Tisch, auf dem eine Flasche und einige Gläser bereitstanden. Lee goss sich einen Brandy mit Soda ein, gönnte sich rasch einen Schluck, behielt das Glas in der Hand und stellte sich ans Fenster. Nehmen Sie bitte dort Platz, sagte Tung, und Lee setzte sich auf ein dem General gegenüber stehendes Sofa. Ihm fiel auf, dass der General seinen Weg vom Fenster zum Sofa genau beobachtet hatte, doch blieb er so reglos wie ein Rekonvaleszent. Lee stellte seinen Drink auf den Boden und wartete mit den Ellbogen auf den Knien. Nach einer Weile hob der General einen Arm und nahm gemächlich einen Zug von der Zigarette. Tung und sein Kollege unterhielten sich flüsternd. Lee konnte Tung nicht verstehen, hörte die Antworten seines Kollegen aber klar und deutlich. Kaolu, sagte er, sooft Tung innehielt, um Atem zu schöpfen.
    Schließlich wandte sich Tung an Lee. Wuhan ist ein Testfall, sagte er. Alles passiert hier: Seuchen, Aufstände, Überschussproduktion,

Weitere Kostenlose Bücher