Narkosemord
Sunnyboys, etwa wie ein Footballspieler von einem College in Texas.
Jeffrey schaute von dem Foto auf und fragte Polly Arnsdorf: »Haben Sie eine Ahnung von seinen beruflichen Plänen?«
»O ja«, erwiderte Polly Arnsdorf. »Mr. Harding äußerte sich diesbezüglich sehr konkret. Er sagte, er wolle sich im Boston City bewerben, weil er ein akademischeres Umfeld anstrebe, wie er sich ausdrückte.«
»Dann hätte ich noch eine Bitte«, sagte Jeffrey. »Könnten Sie uns seine Adresse und seine Telefonnummer geben?«
»Ich denke, es spricht nichts dagegen«, erwiderte Polly Arnsdorf. »Sie wird sicher auch im Telefonbuch stehen.« Sie nahm einen Zettel und einen Bleistift zur Hand, griff nach dem Foto von Trent Harding, drehte es um, schrieb die Daten, die auf der Rückseite standen, auf den Zettel und gab diesen Jeffrey.
Jeffrey dankte Polly Arnsdorf für die Zeit, die sie sich genommen hatte. Kelly tat das gleiche. Dann verließen sie die Verwaltung. Sie gingen durch den Vordereingang hinaus und begaben sich zu Kellys Auto.
»Das könnte es gewesen sein!« rief Jeffrey aufgeregt, sobald sie außer Hörweite waren. »Trent Harding könnte der Mörder sein!«
»Nun glaub’ ich’s auch«, sagte Kelly. Sie hatten den Wagen erreicht und sahen sich quer über das Dach hinweg an. Kelly hatte die Tür noch nicht aufgemacht. »Außerdem glaube ich, daß wir die Pflicht haben, jetzt sofort zur Polizei zu gehen. Wir müssen ihm das Handwerk legen, bevor er wieder zuschlägt. Wenn er der Mann ist, dann muß er geistesgestört sein.«
»Wir können nicht zur Polizei gehen«, sagte Jeffrey mit einiger Verbitterung in der Stimme. »Und zwar genau aus den Gründen, die ich dir schon letztesmal genannt habe. So belastend wir diese Information auch finden mögen, sie beweist nicht das geringste. Wir haben noch immer nichts Konkretes in der Hand, vergiß das nicht. Gar nichts! Es gibt ja noch nicht einmal einen Beweis dafür, daß die Patienten überhaupt vergiftet worden sind. Ich habe den Leichenbeschauer zwar gebeten, nach einem Toxin zu suchen, doch die Chancen, daß er eins isoliert, sind nicht gut. Die Möglichkeiten, Toxine nachzuweisen, sind nun mal begrenzt.«
»Aber der Gedanke, daß so jemand frei herumläuft, macht mir angst«, sagte Kelly.
»Glaubst du, mir nicht? Aber wir müssen eins ganz klar sehen: Die Behörden könnten beim jetzigen Stand der Dinge überhaupt nichts machen, selbst wenn sie uns glauben würden. Und außerdem kann ja nichts passieren, solange er noch nicht wieder im Krankenhaus arbeitet.«
Kelly öffnete widerstrebend die Wagentür. Beide stiegen ein.
»Was wir brauchen, sind handfeste Beweise«, sagte Jeffrey. »Als erstes müssen wir jetzt rausfinden, ob der Bursche überhaupt noch in der Stadt ist.«
»Und wie sollen wir das machen?« fragte Kelly.
Jeffrey holte den Zettel hervor, den Polly Arnsdorf ihm gegeben hatte. »Wir fahren zu seinem Apartment und sehen nach, ob er da noch wohnt.«
»Du hast doch nicht etwa vor, mit ihm zu sprechen, oder?«
»Noch nicht«, sagte Jeffrey. »Aber wahrscheinlich wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, da ich das muß. Auf, fahr! Die Adresse ist Garden Street in Beacon Hill.«
Kelly folgte seiner Aufforderung, obwohl ihr allein schon der Gedanke, sich in die Nähe dieses Monstrums zu begeben, ganz und gar gegen den Strich ging. Beweis oder nicht, sie war bereits jetzt von Hardings Schuld überzeugt. Welchen anderen Grund konnte es dafür geben, daß er in jedem der Krankenhäuser genau zur richtigen Zeit gearbeitet hatte?
Kelly fuhr auf den Storrow Drive und bog dann nach rechts auf die Revere Street, die direkt hinauf nach Beacon Hill führte. An der Garden Street angekommen, orientierten sie sich kurz anhand der Hausnummern auf dem Straßenschild, bogen dann nach links ab und fuhren ein Stück hinunter Richtung Cambridge Street. Sie saßen schweigend nebeneinander, bis sie die Adresse erreicht hatten. Kelly hielt in zweiter Reihe und zog die Handbremse. Die Garden Street war ziemlich steil.
Jeffrey lehnte sich über Kellys Schoß und schaute an dem Haus hinauf. Im Gegensatz zu den Nachbarhäusern war das von Harding nicht aus rotem, sondern aus gelbem Ziegelstein gebaut. Ansonsten war es genauso eine fünfstöckige Mietskaserne wie die anderen. Bedingt durch die starke Abschüssigkeit der Straße, setzten sich die Dächer der einzelnen Häuser stufenförmig gegeneinander ab, wie die Stufen einer riesigen Treppe. Hardings Haus war von einer
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