Narkosemord
in den Dielenschrank unter der Treppe und versteckte sich hinter den Mänteln.
Kelly rief durch die Tür: »Wer ist da, bitte?«
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe, Ma’am!« rief O’Shea zurück. »Ich arbeite für die Strafverfolgungsbehörden und suche nach einem gefährlichen Mann, einem rechtskräftig verurteilten und polizeilich gesuchten Schwerverbrecher. Ich würde gern einen Augenblick mit Ihnen sprechen.«
»Tut mir leid, aber das ist im Moment schlecht«, sagte Kelly. »Ich komme gerade aus der Dusche und bin allein zu Hause. Ich lasse nicht gern Fremde in meine Wohnung. Dafür werden Sie sicher Verständnis haben.«
»Natürlich«, erwiderte O’Shea. »Besonders, wenn einer so aussieht wie ich. Der Mann, den ich suche, heißt Jeffrey Rhodes; er benutzt jedoch auch Decknamen. Der Grund, warum ich Sie sprechen möchte, ist der, daß ich Hinweise erhalten habe, daß Sie vor kurzem zusammen mit diesem Mann gesehen wurden.«
»Ach!« sagte Kelly verdutzt. »Wer hat Ihnen das denn erzählt?« stammelte sie, fieberhaft überlegend, mit wem O’Shea gesprochen haben konnte. Mit jemandem aus der Nachbarschaft? Oder mit Polly Arnsdorf?
»Das darf ich Ihnen nicht sagen«, antwortete O’Shea. »Aber Tatsache ist, Sie kennen den Mann, nicht wahr?«
Kelly hatte sich schon wieder im Griff; sie hatte rasch durchschaut, daß O’Shea geblufft hatte, daß er versuchte, sie aufs Glatteis zu führen, auf die gleiche Weise, wie sie es mit Trent Harding vorhatten.
»Ich habe den Namen schon mal gehört«, sagte Kelly. »Vor ein paar Jahren hat mein verstorbener Mann, glaube ich, irgendwas zusammen mit einem Jeffrey Rhodes erforscht. Aber ich habe den Mann seit dem Tod meines Mannes nicht mehr gesehen.«
»Nun denn, da kann man nichts machen. Dann entschuldigen Sie nochmals, daß ich Sie gestört habe. Da wird sich mein Informant wohl geirrt haben. Warten Sie, ich schieb’ Ihnen meine Telefonnummer unter der Tür durch. Wenn Sie was von Jeffrey Rhodes hören oder ihn sehen sollten, rufen Sie mich einfach an.«
Kelly schaute nach unten. Eine Visitenkarte kam unter dem Türspalt zum Vorschein.
»Haben Sie sie?« fragte O’Shea.
»Ja, ich hab’ sie, und ich rufe Sie ganz bestimmt an, wenn ich ihm begegnen sollte.« Kelly schob die Spitzengardine vor dem Seitenlicht der Haustür ein wenig zurück und sah, wie O’Shea die Stufen hinunterging. Er entschwand aus ihrem Blickfeld. Dann hörte sie, wie ein Wagen angelassen wurde. Ein schwarzer Buick Regal setzte aus ihrer Einfahrt auf die Straße zurück und fuhr weg. Kelly wartete einen Moment, dann ging sie hinaus und spähte vorsichtig um die Hausecke. Sie sah, wie der Wagen Richtung Boston davonfuhr. Sie rannte ins Haus zurück, schloß die Haustür ab und öffnete die Tür des Dielenschranks. Jeffrey blinzelte, als er wieder ins Licht trat.
O’Shea mußte schmunzeln. Wie dumm selbst kluge Leute manchmal sein konnten. Er hatte Kelly in dem Augenblick im Sack gehabt, als er ihr gesagt hatte, sie sei zusammen mit Jeffrey Rhodes gesehen worden. Sie hatte sich zwar wieder gefangen, aber zu spät. O’Shea wußte, daß sie gelogen hatte. Das hieß, sie versuchte etwas zu verbergen. Außerdem hatte er sie um die Ecke ihres Hauses spähen sehen, als er weggefahren war.
Sobald er außer Sichtweite von Kellys Haus war, wendete er und fuhr über Seitenstraßen zurück. Er lenkte den Wagen in die mit Kies bestreute Einfahrt eines der Nachbarhäuser, das verlassen zu sein schien, und stellte den Motor ab. Von hier aus konnte er Kellys Haus durch ein kleines Birkengehölz gut überblicken.
Aus der Art, wie Kelly sich verhalten hatte, war für O’Shea klar zu ersehen, daß sie etwas wußte. Die Frage war, wieviel. O’Shea hielt es für durchaus möglich, daß sie mit Rhodes Verbindung aufnehmen würde, um ihn zu warnen. O’Shea überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, ihr eine Wanze ans Telefon zu basteln. Er könnte um ihr Haus herumschleichen und ihren Telefonschaltkasten suchen, doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Es war noch zu hell. Für so eine Nummer brauchte er den Schutz der Dunkelheit.
Wenn er Glück hatte - und O’Shea fand, es wurde langsam Zeit, daß er mal ein bißchen Glück hatte - , würde Kelly Everson Rhodes aufsuchen und O’Shea so zu seinem Versteck führen. Es bestand sogar die leise Chance, daß der Doktor zu Kellys Haus kommen würde. O’Shea beschloß zu warten. Was immer auch passieren würde, eins wußte er ganz sicher: Das
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