Narkosemord
Frustration mit tödlicher Treffsicherheit gegen die Glasfront des Sideboards im Eßzimmer, das er durch den Türbogen sehen konnte. Es folgte ein ohrenbetäubendes Klirren.
»Oh!« sagte er, als er sah, was er angerichtet hatte. Er stand auf, um Besen und Schaufel zu holen. Während er die Scherben zusammenfegte, faßte er ganz spontan einen Entschluß: Er würde nicht ins Gefängnis gehen! Unter keinen Umständen. Scheiß auf das Revisionsverfahren! In die Justiz hatte er so viel Vertrauen wie in die Welt der Märchen.
Die Entscheidung stand so plötzlich fest, und er war entschlossen, daß er sich regelrecht beschwingt fühlte. Er sah auf die Uhr. Die Bank würde gleich öffnen. Aufgeregt ging er in sein Zimmer und suchte seinen Paß. Er konnte von Glück sagen, daß das Gericht ihn nicht bei der Kautionserhöhung gleich eingezogen hatte. Dann rief er die PanAm an und erfuhr, daß er mit dem Shuttle nach New York, mit dem Bus zum Kennedy Airport und mit dem Flugzeug nach Rio reisen konnte. In Anbetracht der zahlreichen auf dem Markt vertretenen Fluglinien hatte er eine große Auswahl von Flügen, darunter auch einen um dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig, der ein paar Zwischenlandungen an exotischen Orten zu bieten hatte.
Mit erwartungsvoll klopfendem Herzen rief er in der Bank an und ließ sich mit Dudley Farnsworth verbinden. Er gab sich Mühe, beherrscht zu klingen, und erkundigte sich nach dem Darlehen.
»Keine Probleme«, sagte Farnsworth stolz. »Ich habe ein paar Beziehungen spielen lassen und die Sache genehmigt bekommen - einfach so.« Jeffrey hörte, daß er bei den letzten Worten mit den Fingern schnippte. »Wann kommen Sie?« fragte Farnsworth. »Ich will sicher sein, daß ich dann auch hier bin.«
»Ich bin gleich da«, antwortete Jeffrey und versuchte, sich einen Zeitplan zurechtzulegen. Das Timing würde der entscheidende Faktor sein. »Ich habe noch eine Bitte. Ich hätte das Geld gern in bar.«
»Sie machen Witze«, sagte Farnsworth.
»Im Ernst«, beharrte Jeffrey.
»Das ist ein bißchen unüblich«, meinte Farnsworth zögernd.
Jeffrey hatte über diese Angelegenheit nicht weiter nachgedacht. Er spürte Farnsworths Widerstreben und begriff, daß er etwas erklären mußte, wollte er das Geld bekommen, und er brauchte es unbedingt. Mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche konnte er nicht nach Südamerika.
»Dudley«, begann er, »ich bin in Schwierigkeiten.«
»Es gefällt mir nicht, wie das klingt«, sagte Farnsworth.
»Es ist nicht das, was Sie denken. Ich habe nicht gespielt oder so was. Tatsache ist, ich muß einen Kautionsbürgen bezahlen. Haben Sie nicht in der Zeitung gelesen, in was für Schwierigkeiten ich geraten bin?«
»Nein«, sagte Dudley und klang gleich wieder freundlicher.
»Ich wurde wegen eines Kunstfehlers verklagt und dann wegen eines tragischen Anästhesiezwischenfalls vor Gericht gestellt. Ich will Sie im Moment nicht mit Einzelheiten langweilen. Das Problem ist, ich brauche fünfundvierzigtausend Dollar, um den Kautionsbürgen zu bezahlen, der die Kaution für mich gestellt hat. Er sagt, er will das Geld in bar.«
»Ich bin sicher, einen Bankscheck würde er auch akzeptieren.«
»Hören Sie, Dudley, der Mann hat gesagt, er will Bargeld. Ich habe ihm Bargeld versprochen. Tun Sie mir diesen Gefallen. Machen Sie es mir nicht noch schwerer, als es sowieso schon ist.«
Einen Moment lang war es still. Jeffrey glaubte Farnsworth seufzen zu hören.
»Sind Hunderter okay?«
»Prima«, sagte Jeffrey. »Hunderter sind ausgezeichnet.« Er fragte sich, wieviel Platz vierhundertfünfzig Hundertdollarscheine wohl brauchten.
»Dann halte ich es bereit für Sie«, sagte Farnsworth. »Ich hoffe bloß, Sie haben nicht vor, das Geld längere Zeit mit sich herumzuschleppen.«
»Nur bis Boston«, erwiderte Jeffrey.
Er legte auf. Hoffentlich würde Dudley nicht die Polizei anrufen oder sonstwie versuchen, seine Geschichte zu überprüfen. Nicht, daß irgend etwas nicht gestimmt hätte, aber Jeffrey fand, je weniger Leute über ihn nachdachten und Fragen stellten, desto besser - zumindest bis er im Flugzeug war.
Er setzte sich mit einem Notizblock an den Tisch und schrieb eine Nachricht für Carol: Er nehme die fünfundvierzigtausend, und sie könne alles andere haben. Aber der Brief klang unbeholfen. Beim Schreiben wurde ihm auch klar, daß er besser keine Hinweise auf seine Absichten hinterließ, falls er aus irgendeinem Grund aufgehalten werden sollte. Er knüllte das Papier
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