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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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soll, dann wird es knapp.«
    »Warum schauen wir nicht einfach nach?«, sagte Burghardt und griff nach einer Stange, schob sie versuchsweise durch einen der beiden Ringe und sah die beiden anderen an. »Wenn der Raum so alt ist, wie Georg vermutet, dann werden wir nur noch ein paar Knochenreste in einem halb verfaulten Sarg finden.«
    »Wir sollten uns aber sicherheitshalber ein Tuch oder etwas Ähnliches vor den Mund binden«, gab Sina zu bedenken.
    »Warum um Gottes willen das?«, grunzte Berner, kramte aber bereits nach seinem Stofftaschentuch.
    »Weil ich keine Lust habe, Sporen von Pilzen einzuatmen, die mich für tot halten und in mir fröhlich mit der Zersetzung weitermachen, die sie da drin begonnen oder abgeschlossen haben. Darum!«, versetzte der Wissenschaftler knapp und band sich sein Hemd vor das Gesicht.
    Burghardt kramte ein giftgrünes Bandana aus einer Hosentasche und tat es ihm gleich. Den amüsierten Blick Berners über sein blaugrau kariertes Taschentuch hinweg ignorierte er geflissentlich.
    Georg nahm die zweite Stange, schob sie durch den anderen Ring und meinte dann: »Wir sind zu dritt, also heben wir gemeinsam die Platte auf einer Seite hoch, ziehen sie ein Stück vor und machen dann dasselbe auf der anderen Seite. Und hoffen wir, dass die Ringe halten.«
    Als die drei Männer mit aller Kraft zogen, geschah erst gar nichts, aber dann begann der Oberteil der Stufe mit einem kratzenden Geräusch zentimeterweise nach vorne zu rutschen. Nachdem sie zur zweiten Stange gewechselt waren und die andere Seite des Steins anhoben, fiel ein wenig Putz von der Wand und Mörtel bröckelte. Aber der Ring hielt und wenig später lag der Deckel schräg gegen die Stufe gelehnt und gab den Inhalt des Grabes preis.
    Georg leuchtete mit der Taschenlampe in den Hohlraum. Die Stufe war tatsächlich leer, bis auf einen halb zerfallenen Sarg, der seltsam klein war.
    »Liegt hier ein Kind begraben?«, wunderte sich Berner und begann vorsichtig, die morschen Bretter beiseitezuräumen.
    »Eher ein Jugendlicher«, stellte Georg fest, »für einen Kindersarg ist er zu groß. Aber ein Erwachsener ist es keinesfalls. Vergiss nicht, dir danach sofort die Hände zu waschen. Was wir hier ohne Handschuhe machen, ist der blanke Wahnsinn.«
    Nach und nach kam unter Staubschichten und verfaulten Brettern ein Skelett zum Vorschein, das in ein prächtiges Gewand gekleidet war. Auch wenn nur mehr Bruchstücke davon erhalten waren, so glänzten Teile der aufwendigen Stickerei noch immer im Licht der Lampe. »Das könnte ein Staatsfrack gewesen sein«, meinte Georg, »schaut euch die Schöße und die Stickerei an. Den Stehkragen kann man auch noch erkennen. Das typische Galagewand bei Hof zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Von der Weste gibt es nur mehr Fragmente, aber einzelne Knöpfe davon sind noch da.«
    »Würde ein Jugendlicher so etwas getragen haben?«, fragte Burghardt und Sina schüttelte den Kopf.
    »Nein, das blieb Erwachsenen vorbehalten, die keine Hof-, Beamten-oder Militäruniform besaßen und am Kaiserhof repräsentieren mussten. Viel zu formell für einen reichen Sprössling. Es sei denn, er war Mitglied eines regierenden Hauses und schon ganz jung in die Staatsgeschäfte involviert. Aber dann wäre er kaum hier bestattet. Außerdem ist das doch ein Stock, der auf dem Körper liegt, oder irre ich mich?«
    Berner nahm die Taschenlampe und leuchtete in Richtung des Schädels, der nach rückwärts gekippt war. Die Kinnbinde war komplett zersetzt, sodass der Mund weit geöffnet war. Gerade so, als würde der Tote schreien.
    »Schaut!«, rief er aus, »ganz weiße Haare! Die Zähne sind auch bereits fast alle ausgefallen. Das war niemals ein Jugendlicher, ganz im Gegenteil, das war ein Greis.«
    Sina betrachtete fasziniert die Leiche. »Der Kopf muss auch ein wenig überdimensioniert gewesen sein.«
    »Mann oder Frau?«, warf Burghardt ein.
    »Dem Frack nach zu urteilen eindeutig ein Mann«, gab Georg zurück. »Ein sehr klein gewachsener Mann, zwischen 1,40 bis 1,50 Meter groß zu Lebzeiten. Vielleicht auch etwas kleiner.«
    »Ein Zwerg also«, flüsterte Berner erstaunt, »der so wichtig war, dass er eine eigene Gruft bekam. Unglaublich.« Der Kommissar wollte sich den Stock näher ansehen, dessen Knauf die skelettierten Hände noch immer fest umklammert hielten, da fiel sein Blick auf etwas Helles, das unter der Frackweste hervorlugte. Mit spitzen Fingern zog Berner vorsichtig ein Stück Papier heraus, schüttelte den Staub

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