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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Dolmetscher für die Amerikaner und stellte sich schließlich. In Nürnberg wurde er verurteilt und saß seine zwanzig Jahre ab, bevor er 1966 mit Speer gemeinsam entlassen wurde und an die Mosel zog, wo er auch einige Jahre später starb.«
    Valerie und Paul hatten sich auf die Stufen gesetzt, und als die alte Frau geendet hatte, hing jeder seinen eigenen Gedanken nach.
    »Die Wirren des Krieges haben die Spur des Dokuments verwischt«, murmelte Paul, »das Kriegsende in Wien war chaotisch, wie überall sonst auch.«
    »Danach ist es nirgendwo mehr aufgetaucht, das steht fest«, ergänzte Valerie, »sonst würde Shapiro wissen, wo es ist.«
    »Oder er weiß es und hat es dir nicht gesagt«, stellte Paul an Valerie gewandt fest. »Es wäre nicht das erste Mal …«
    Goldmann griff zum Telefon und wählte. Wie immer hob Shapiro nach dem zweiten Läuten ab.
    »Was würden Sie sagen, wenn das vierte Dokument nicht in Berlin, sondern in Wien wäre?«, eröffnete Valerie grußlos das Gespräch.
    »In Wien?« Shapiro klang betroffen. »Wie kommen Sie darauf? Ausgerechnet in Wien? Das wäre nicht …« Er verstummte.
    »Das wäre was nicht?«, setzte Goldmann nach.
    »Das wäre nicht wirklich gut«, meinte Shapiro tonlos. »Das würde eine völlig neue Situation schaffen …«
    »Sie reden in Rätseln«, erwiderte Valerie und wartete. Als Shapiro schließlich nach einer kurzen Pause zu sprechen begann, klang seine Stimme zum ersten Mal, seit ihn Goldmann kannte, gehetzt.
    »Fliegen Sie sofort nach Wien zurück und kontaktieren Sie mich auf einer sicheren Leitung aus der Botschaft, und zwar so schnell wie möglich. Wir müssen dieses Dokument finden und in unsere Hand bekommen.« Damit legte er auf.
    Valerie sah Paul an und schüttelte den Kopf. »Nein, Shapiro ist gerade aus allen Wolken gefallen, als ich ihm die Neuigkeit erzählt habe.«
    »Und der fällt nicht oft aus allen Wolken«, stellte Sarah trocken fest. »Ich werde jetzt meinen Nachmittagsspaziergang fortsetzen. Ich glaube, Sie wissen nun alles, was ich Ihnen zu dem Dokument erzählen kann. Noch eines: Werfen Sie doch einen Blick auf die Operation Radetzky.«
    »Operation Radetzky?« Paul war verwirrt. »Nie gehört, was soll das sein?«, fragte er verwundert, aber Sarah war bereits aufgestanden und ging an Valerie und Paul vorbei, stieg die Treppen hoch und verließ die Gruft.
    Oben angekommen, drehte sie sich noch einmal um. »Folgendes sollten Sie vielleicht wissen. Daniel hat einmal behauptet, diese vier Dokumente seien nicht das Ende einer Geschichte, sie seien der Anfang von Geschichte. Genau das waren seine Worte.«
    Damit drehte sie sich um und bald war ihre kleine Gestalt im Schatten der tief hängenden Äste verschwunden.
    Irgendwo in Wien, Innere Stadt/Österreich
    S ie sehen, dass wir vor nichts zurückschrecken und überall sind.« Die Stimme des Anrufers war ruhig, konzentriert und völlig distanziert. Das machte dem Mann, der gerade den Hörer abgehoben hatte, die meiste Angst. Er hätte locker und professionell mit Terroristen oder mit schreienden Extremisten umgehen können, aber nicht mit dieser Art von unterkühltem, beinahe nebensächlichem Ton. Es war, als lese der Anrufer die Börsenkurse vor.
    »Erst die Wirtschafts- und Familienministerin, dann der Innenminister und jetzt der Bundeskanzler. Sie brauchen nicht viel Phantasie, um zu erraten, wer der Nächste sein wird.«
    »Nein«, antwortete ihm sein Gesprächspartner einsilbig.
    »Und zweifeln Sie bitte nicht einen Augenblick daran, dass es nicht nur in unserer Macht liegt, sondern auch in unserem Ermessen. Ob, wann, wo und wie, entscheiden wir.« Keine Regung in der Stimme des Anrufers. Da war keine Überheblichkeit, nicht ein kleines bisschen Stolz oder Anmaßung. Da war jemand, der genau wusste, dass es nur ein kleiner Schritt zu einer großen Entscheidung war, ein Fingerschnippen, ein einziger Anruf, der über Leben und Tod entschied.
    »Was sind Ihre Forderungen?«
    »Aber das wissen Sie doch seit drei Tagen ganz genau. Warum sind Sie nicht früher darauf eingegangen? Haben Sie uns nicht geglaubt? Haben Sie gedacht, wir bluffen, wie Pokerspieler mit einer leeren Hand? Dann haben Sie den Tod der drei Regierungsmitglieder auf dem Gewissen. Wir ziehen schon seit Langem alle Fäden, wir leiten das Spiel, auch wenn Sie es bis jetzt nicht geglaubt oder bemerkt haben.« Der Anrufer schwieg kurz. »Ich brauche eine Zusage von Ihnen für die Übergabe der Dokumente, der drei Schriftstücke von

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