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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Metternich, die sich in der Hand der Regierung befinden.«
    »Vielleicht haben wir sie gar nicht und Ihre Informationen sind nicht korrekt«, versuchte sein Gesprächspartner einen Einwurf.
    »Hat es noch nicht genug Tote gegeben?« Noch immer keine Regung in der Stimme. Der Mann musste Nerven aus Stahl haben. »Eine kleine Gedankenstütze: Zum Finanzministertreffen brachten zwei Vertreter ihre Dokumente nach Wien mit, und zwar auf Ansuchen der österreichischen Bundesregierung. Der französische und der britische Minister übergaben Ihnen die Schriftstücke vor drei Tagen, ein Kommando des österreichischen EKO Cobra holte sich das russische Papier heute Mittag in Berlin von einem Sammler. Es ist vor wenigen Minuten in Ihre Hände gelangt.«
    Der Angerufene schwieg.
    »Sie haben sich also drei der vier Metternich-Dokumente beschafft und wir hätten sie gerne von Ihnen. So einfach ist das«, stellte der Anrufer fest und fuhr fort: »Was das vierte betrifft, so hoffe ich, dass entweder Ihre oder unsere Anstrengungen zum Erfolg führen werden. So oder so, am Ende werden wir auch dieses Papier in Händen halten.«
    »Und wenn das vierte Dokument nie gefunden wird? Wie Sie wissen, ist es seit fast zweihundert Jahren verschwunden.«
    »Das war das russische auch und ein Zufall hat es wieder ans Tageslicht gebracht. Nichts bleibt für immer verborgen. Die Sonne bringt es an den Tag und bald pfeifen es die Spatzen von den Dächern.« Die Selbstsicherheit des Anrufers war unerschütterlich. »Aber wir betrachten drei von vier Schriftstücken schon als eine solide Ausgangsbasis.«
    »Was schlagen Sie vor?«, gab sein Gesprächspartner zurück, während er fieberhaft über einen Ausweg nachdachte und doch wusste, dass es keinen gab.
    »Eine rasche Übergabe der Dokumente, am besten sofort. Den Platz haben wir bereits ausgewählt und es sollte kein Problem sein, einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Wenn Sie Ihre Bürotüre öffnen, dann klebt an der Außenseite ein weißes Kuvert mit einer großen, schwarzen Drei darauf. Sie finden darin alle Anweisungen und Sie sollten sich strikt daran halten. Sonst sehen wir uns bald bei der Bundespräsidentengruft aus einem anderen Anlass wieder …« Damit legte der Anrufer auf.
    Kaum dreißig Minuten später fuhr eine schwarze Mercedes-S-Klasse-Limousine durch das zweite Tor des Wiener Zentralfriedhofs, ein Blaulicht mit Magnetfuß auf dem Dach. Die verspiegelten Scheiben verhinderten jeden Blick in das Innere des Wagens, der langsam über die schnurgerade Allee auf die Dr.-Karl-Lueger-Gedächtniskirche, einen monumentalen Jugendstilbau vom Beginn des letzten Jahrhunderts, zurollte.
    Vor dem Ende der Allee, die auf die große Kirchenanlage mit Parks und Nebengebäuden zulief, gabelte sich die Straße an einem großen dreieckigen Platz und führte links und rechts an den Grünanlagen entlang.
    Im Zentrum des Dreiecks war eine große Vertiefung in der Form eines Weihekreuzes eingelassen. Das mit Schieferplatten ausgelegte Rondeau wurde von einem einzelnen Sarkophag mit dem österreichischen Bundeswappen beherrscht. Die Bundespräsidentengruft diente seit 1951 als Begräbnisstätte der österreichischen Staatsoberhäupter der Zweiten Republik.
    Der dunkle Wagen rollte leise über das in der Hitze flimmernde Asphaltband zwischen den hohen, grünen Wipfeln der Alleebäume. Einige Besucher saßen auf den Bänken im Schatten der dunklen Stämme. Als sie den fast lautlos an den repräsentativen Ehrengräbern vorbeigleitenden Wagen bemerkten, senkten sie ihre Zeitung, legten kurz ihr Buch beiseite oder vernachlässigten für einige Momente die Fütterung der Eichhörnchen und blickten neugierig der Limousine hinterher.
    Als die kleinen Baumbewohner bereits ungeduldig wurden, weil sie keine Nüsse mehr zugeworfen bekamen, verloren die Friedhofsbesucher wieder das Interesse an dem Mercedes, der keine Anstalten machte anzuhalten. Zufrieden huschten die Eichhörnchen wieder mit einem frischen Vorrat in den Backen auf die Bäume und in die Sträucher.
    Die Limousine bog in die rechte Seite der Straßengabelung und fuhr langsam auf die Kolonnaden zu, die mit ihren Säulen, der Kirchenfassade und der Geometrie der Wege ein Gesamtkunstwerk bildeten.
    Doch dann vollführte der schwarze Mercedes plötzlich eine Spitzkehre und schwenkte nach links zum Hauptportal der Kirche. Im Schatten vor der breiten Freitreppe hielt er an und verharrte dort. Nichts geschah. Es schien, als wartete der Wagen auf

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