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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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nickte. »Vier Dokumente und Metternich spricht von vier Wegen zum Wissen, vier Bausteinen des Geheimnisses. Schade, dass sie euch das dritte in Berlin abgenommen haben, von den anderen zwei ganz zu schweigen. Wo immer die jetzt sind. Nur der doppelte Boden lässt mir keine Ruhe. Darüber denke ich seit gestern nach, als Berner mir den Brief in die Hand gedrückt hat.«
    Sie gingen am rot-schwarz gestreiften Schweizer Tor zum ältesten Trakt der Hofburg vorbei, und Paul überlegte kurz, im Hof der Alten Burg an der Zergadenstiege mit der Recherche bei der Burghauptmannschaft anzufangen. Aber Sina zog ihn mit sich. Unter den kritischen Blicken des bronzenen Kaiser Franz überquerten sie an Touristengruppen und Straßenmusikanten vorbei, die »Eine kleine Nachtmusik« in routinierter Endlosschleife absolvierten, den weitläufigen Innenhof. Nachdem sie zwischen den wuchtigen Herkulesstatuen, den Wächtern der Torbögen, hindurchgingen, verschwanden sie im Halbdunkel der weit ausgebreiteten Kuppel des Michaelertores.
    »Ich habe einmal hier als Zweitfach Theaterwissenschaften studiert, wie du weißt«, erklärte Sina. »Das Universitätsinstitut, das neben dem Sisi-Museum immer noch an der Batthyanystiege untergebracht ist, wurde 1943 von Schirach ins Leben gerufen und der schuf auch Platz dafür in seinen Amtsräumen. Warum erkundigen wir uns nicht einfach dort?«
    Wagner nickte. »Gute Idee, das machen wir. Die Frage ist, wo du ein so wichtiges Dokument verstecken würdest, wenn du es mitgebracht hast, aber niemand etwas davon wissen sollte«, dachte er laut nach. »Man hat es nicht gefunden, also war es nicht in den Unterlagen, die er zurückließ. Auf seine Flucht nach Tirol hätte er es mitnehmen können, aber man hat nie mehr etwas davon gehört, es tauchte nach dem Krieg nicht wieder auf. Schirach kehrte auch nicht mehr nach Österreich zurück, starb in einer Pension an der Mosel. Also musste er entweder annehmen, das Dokument war verloren, oder es war so gut versteckt, dass es niemand finden würde. Wahrscheinlich eher Ersteres.«
    Sie betraten das Stiegenhaus, das vom Michaelertor tiefer in den älteren josephinischen Teil der Hofburg führte, unter dem mächtigen roten Baldachin. Dann bogen sie aber anders als die Mehrzahl der Leute, die mit ihnen durch die schweren Holzflügel der hohen Tür geschlüpft waren, nicht nach links zu Café und Museen, sondern nach rechts und stiegen die Treppen hinauf zum Institut für Theaterwissenschaften.
    Als Georg über die Böden aus Solnhofener Kalkstein marschierte, das intensive Putzmittel der Reinigungskolonne roch und schließlich hinter Paul durch den wohlbekannten, engen dunklen Gang zur Tür des Sekretariats kam, überkamen ihn nostalgische Gefühle. Wie oft und wie lange war er wohl vor diesen Schaukästen gestanden und hatte Lehrveranstaltungstermine notiert? Es war kaum ein Jahrzehnt vergangen, aber damals war ein Online-Vorlesungsverzeichnis noch eine ferne Zukunftsvision. Sina lächelte, schüttelte den Kopf und stieß die Tür auf.
    In dem kleinen überfüllten Sekretariatsraum mit vier Schreibtischen und so wenig Platz, dass Georg knapp an einem klaustrophobischen Anfall vorbeischrammte, hatte sich kaum etwas verändert. Wie noch vor gefühlten Urzeiten saßen dort vier Mitarbeiterinnen und lächelten sie an. Er schaute sich kurz um. Den großen Ordner, aus dem man sich die alphabetisch geordneten, handgeschriebenen Zeugnisse suchen konnte, konnte er nirgends mehr erkennen. Irgendwie beruhigte ihn das. Er hatte immer schon Prüfungsangst gehabt.
    »Georg! Was machst denn du hier?«, rief eine der Institutsangestellten aus und eilte schnurstracks auf Sina zu, umarmte ihn und sah ihm entzückt ins Gesicht. »Gut schaust du aus, die Lehrtätigkeit bekommt dir anscheinend«, sagte sie und fuhr sich kokett durchs Haar. »Schön, dass du wieder einmal vorbeikommst, ich dachte schon, du hättest mich vergessen …«
    »Ach wo, das würde er nie schaffen«, warf Paul ein und kam Georg zu Hilfe. Der Reporter grinste von einem Ohr zum anderen und schaute Sina von der Seite an. »Jaja, so holen einen die weiblichen Schatten der Vergangenheit ein«, murmelte er und sagte dann laut zu der Frau, die den Wissenschaftler noch immer beglückt ansah: »Er hat ja so viel von Ihnen erzählt, da kann er Sie doch niemals vergessen haben.«
    Sina warf ihm einen vernichtenden Blick zu, um sich gleich wieder gequält lächelnd seinem weiblichen Gegenüber zuzuwenden.
    »Trudi,

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