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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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nicht erwehren. »Mehr, als Sie denken, Exzellenz. Darf ich Sie erinnern, dass unter den zahllosen Titeln und Würden auch der des Königs von Jerusalem war? Unsere Informanten machten eines klar – dass die neue Regierung diesen Anspruch auch tatsächlich sehr ernst nehmen und ihre Rechte darauf auf jeden Fall geltend machen würde.«
    Bar Ilan versuchte ein Lächeln, das kläglich misslang. »Sie wollen doch nicht sagen, dass eine solch total absurde Forderung Aussicht auf Erfolg hätte«, stieß er hervor.
    »Darum geht es gar nicht, Exzellenz«, antwortete Shapiro kalt. »Absurd oder nicht, nur die Forderung alleine würde Dinge in Bewegung setzen und Strömungen an die politische Oberfläche kommen lassen, deren Folgen weder Sie noch ich, noch unsere Regierung auch nur im Geringsten abschätzen kann. Darf ich Sie daran erinnern, wie labil derzeit die Situation in Israel ist? Glauben Sie nicht, dass es in der Bevölkerung jede Menge Elemente gäbe, die mit Freude einen Vorwand wie diesen ausnutzen würden, egal, wie hanebüchen er uns auch vorkommt, um alles nur Erdenkliche gegen unseren Staat zu unternehmen? Mit der Aussicht, einen unbeteiligten und weit entfernten, wenn auch katholischen Regenten für Jerusalem zu haben, der ihr Anliegen unterstützen könnte? Und nicht nur für die christlichen Konfessionen des Mittleren Ostens sowie für Teile des Libanons würde sich so eine willkommene Alternative bieten, in dasselbe Horn zu stoßen. Nicht wenige könnten an die Regierung durch das Kalifat erinnert werden, die eine lange Zeit des Friedens an den Pilgerstätten der drei Buchreligionen garantiert hatte. Unter diesem Aspekt, nämlich unsere Position durch einen dritten Player zu schwächen, ist der Kreuzfahrerhintergrund schnell vergessen. Oder soll ich Sie weiter an den latenten Antisemitismus erinnern, der in den Ländern beim Untergang der Donaumonarchie geherrscht hat?«
    Der Botschafter schwieg betroffen. Er wollte noch einwenden, dass sich diese Regierung unweigerlich die Hamas und andere radikal islamische Gruppen zum Feind machen würde, entschied sich aber dagegen, denn Shapiro schien für alles eine passende Antwort parat zu haben. Weinstein hatte aufgehört zu zeichnen und blickte auf seine Hände, die nun die kleinen Männchen zudeckten. Major Spector schien den Davidstern auf der israelischen Flagge zu hypnotisieren.
    »Major Goldmann hatte die Aufgabe, eines der Dokumente für uns zu sichern, und sie hat kläglich versagt. Hätte sie Erfolg gehabt, dann säßen wir jetzt nicht hier. Also müssen wir nun versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Die demokratische Regierung in Österreich darf nicht destabilisiert werden, diese Sprengungen dürfen nicht passieren, die ›Schattenlinie‹ darf nie an die Macht kommen.«
    Shapiro wandte sich an Weinstein. »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Major Spector Ihre volle Unterstützung zuteil werden lassen. Es bleibt nicht mehr viel Zeit und wir müssen schnell handeln.«
    Polizeidirektion Wien, Innere Stadt, Wien/Österreich
    D ie Sekretärin brachte Nachschub an Kaffee, Tee, Mineralwasser und eine Platte mit Sandwiches als schnelles Mittagessen. Dann stellte sie eine Schüssel mit Wasser für Tschak auf den Boden und streichelte mit den Worten »Der ist ja so süß« über den Kopf des kleinen Hirtenhundes.
    Weder Valerie noch Georg, Paul oder Berner griffen zu den Sandwiches. Sie hörten nun zum dritten Mal den Mitschnitt des Telefongesprächs und suchten nach Hinweisen, wo die Sprengladungen versteckt sein könnten.
    »Ich bin mir sicher, dass es sich um sehr bewusst gewählte Plätze in Wien handelt«, überlegte Paul laut, »das geht aus dem anderen Satz hervor, der mir nicht aus dem Kopf gehen will.« Paul stand auf, ging zum Schreibtisch und drückte erneut die Play-Taste. Die ruhige Stimme füllte wieder das Büro: »Der Ablauf der Explosionen hat ein Muster, damit auch jeder nachvollziehen kann, worum es geht. Nicht einfach wahllose Sprengungen, nein, hier geht es um Demonstrationen unserer Macht, aber auch Offenlegung der historischen Hintergründe.«
    »Explosionen nach einem Muster?«, fragte Valerie nachdenklich. »Was kann er damit meinen?«
    »Das Gleiche wie mit der Offenlegung der historischen Hintergründe«, meinte Berner. »Sie haben die Senfgasgranaten an verschiedene Stellen der Stadt gebracht, Zeit genug hatten sie ja dazu, und die Granaten selbst sind ein Erbe des Ersten Weltkrieges. Die liegen also ebenfalls schon länger herum, wo

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