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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Tagebuch mitteilt. Dann gäbe es mit der Existenz eines alternativen Thronerben für die Kaiserkrone eine unbelastete Anschlussstelle an die alte Rechtsordnung.«
    »Daher die Legitimität, die sie reklamieren?«, brummte Berner.
    »Weit mehr noch«, gab Georg zurück. »Könnte diese Schattenlinie ihre direkte und legitimierte Abstammung von Kaiser Joseph I. schlüssig beweisen, dann wäre sie nicht nur rechtskräftiger Thronanwärter, sondern außerdem blutreines Habsburg und kein »verwässerter« Zweig Habsburg-Lothringen.«
    »Und der Beweis war in dem Kupferzylinder«, ergänzte Paul nachdenklich. »Seit gestern halten sie ihn in Händen und damit war der Startschuss gegeben. Ist euch klar, dass wir ihnen das gute Stück auf dem Silbertablett serviert haben?«
    »Das würde aber bedeuten, diese Leute ignorieren geflissentlich sämtliche sozialen und politischen Entwicklungen der letzten neunzig Jahre«, warf Dr. Sina ein.
    »Nicht unbedingt«, antwortete Georg, »deshalb sind sie ja auch gleichzeitig den zweiten Weg gegangen. Ich zweifle nicht, dass sie bereits im Nationalrat sowie im Bundesrat sitzen und damit gewählte Volksvertreter sind. Das Habsburgergesetz, wie der Name schon sagt, gilt nur für das Haus Habsburg-Lothringen. Von einer Blutlinie mit anderem Namen war nie die Rede, da ja zum Beispiel die Erben des Erzherzogthronfolgers Franz Ferdinand, die Hohenbergs, aufgrund der unstandesgemäßen Ehe ihres Vaters noch zur Zeit Franz Josephs von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Dasselbe gilt auch für die Grafen von Meran und für alle anderen Nebenlinien. Das ist perfiderweise der lange Schatten des Hausgesetzes aus der Feder des Fürsten Metternich, das die strenge Thronfolge innerhalb des Erzhauses der Familie regelt. In diesem Punkt folgt das Gesetzbuch der Republik der Rechtsauffassung Metternichs. Damit sind der Schattenlinie Tür und Tor geöffnet. Und da schließt sich jetzt der Kreis zu Metternich und Jauerling, die bis heute die Fäden ihres meisterhaften Plans in der Hand halten …«
    »Vielleicht sind ihre Leute bereits Regierungsmitglieder und wir wissen es gar nicht«, warf Berner ein. »Aber sie sitzen noch nicht offiziell an der Macht und das wollen sie ändern.«
    »Und zwar bis morgen um 10:00 Uhr«, erinnerte Valerie und schaute auf die Uhr. »Wir sollten langsam überlegen, wo diese verdammten Depots sind. Ich zweifle nicht einen Augenblick daran, dass sie ihre Drohung wahr machen, allein schon, um die Machtlosigkeit der derzeitigen Regierung zu demonstrieren.«
    Israelische Botschaft, Wien-Währing/Österreich
    D ie Runde, die im Sitzungszimmer der israelischen Botschaft beisammensaß, war klein und überschaubar. Sie bestand aus drei Leuten: Militärattaché Samuel Weinstein, dem Botschafter Israels in Wien, Exzellenz Alon Bar Ilan, und einem Mossad-Agenten namens Yftach Spector, den der Wagen der Botschaft soeben vom Flughafen abgeholt und nach Wien-Währing gebracht hatte. Der Leiter der Abteilung Metsada des Mossad, Oded Shapiro, war über Video-Leitung zugeschaltet und blickte wie ein Familienvater mit großer Brille von einem riesigen Flatscreen an der Wand auf den runden Tisch mit den Mineralwasserflaschen und der israelischen Tischflagge herunter.
    Nachdem Spector sein Zimmer unter dem Dach bezogen und sich kurz frischgemacht hatte, sah er nun aus wie die geballte Effektivität in Person und war Weinstein auf den ersten Blick unsympathisch. Der Agent aus Tel Aviv war braun gebrannt, schlank und sportlich, hatte einen kleinen Schnauzbart als Kontrapunkt zu seinem geradezu griechischen Profil und strahlte jene Art von Selbstsicherheit aus, die der Militärattaché schon bei Major Valerie Goldmann nicht ausstehen konnte. Allerdings war sie bei Goldmann attraktiver verpackt, dachte Weinstein und warf einen versteckten Seitenblick auf Spector, der in seinen mitgebrachten Unterlagen blätterte. Samuel Weinstein verwünschte sich dafür, nur einen kleinen Notizblock zu der Besprechung mitgenommen zu haben. Er begann kleine Männchen auf das oberste Blatt zu kritzeln, während der Botschafter sein Telefongespräch beendete.
    Als Weinstein aufblickte, sah ihm ein grinsender Spector zu und Weinstein fühlte sich ertappt. Er zerteilte seine Männchen mit großen Strichen und begrub sie unter einem Chaos an hastigen Schnörkeln.
    Der Botschafter beendete sein Telefonat und wandte sich den beiden Männern am Tisch zu.
    »Shalom! Es ist schön, Sie bei uns im Team zu haben, Mr. Spector.

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