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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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arbeitet?«
    »Ach das, das war ein gewisser Fürst Charles Joseph de Ligne, der an den französischen Delegierten Talleyrand geschrieben hatte, dass man ihm zugetragen hätte, der Kongress tanzt, aber er kommt nicht weiter.«
    »So wie wir«, brummte Berner, »wir kommen auch nicht weiter.«
    Paul lächelte versonnen und stand dann plötzlich auf. »De Ligne schreibt dem französischen Gesandten, dem hinkenden Teufel aus Paris … Das passt doch! Französisch war nicht nur die Sprache der Diplomaten, sie ist auch eine ungemein lautmalerische Sprache, in der man Doppelbedeutungen sehr leicht in einem Wort verstecken kann.« Er nahm ein Blatt Papier und einen Stift von Eddys Schreibtisch und schrieb in großen Buchstaben die Worte:
    De Ligne
Deux lignes
    »Das Erste ist der Familienname des Fürsten, das Zweite bedeutet zwei Linien. Ausgesprochen wird es gleich.«
    »Du meinst«, stieß Georg aufgeregt hervor, »das Grab des Fürsten? Die Gruft mit den zwei Linien darin … Er war zwar Belgier, aber er publizierte auf Französisch, und das meist in Paris, das stimmt … und das mit dem tanzenden Kongress ist auch von ihm … Vielleicht geht es bei den Franzosen einfach um die Sprache, um die deux lignes?«
    »Angesichts der beiden Habsburger-Linien ein schönes Wortspiel«, meinte Paul, »das würde auch für das Grab als Depot sprechen.«
    »Wer von euch weiß, wo der Herr begraben ist?«, fragte Berner und lehnte sich vor.
    In diesem Moment klingelte Valeries Handy und sie verzog das Gesicht, als sie den Namen des Anrufers auf dem Display las.
    Kahlenberger Friedhof, Wien-Döbling/Österreich
    E ine dreiviertel Stunde später fuhr ein voll besetzter schwarzer VWBus, gelenkt von Eddy Bogner, über die Wiener Höhenstraße in Richtung Kahlenberg. Dicht hinter ihm folgten ein schwarzer Mercedes mit Diplomatenkennzeichen und der Pizza Expresss mit Paul Wagner am Steuer. Nach wenigen Minuten erreichte die kleine Kolonne die weite asphaltierte Fläche des Parkplatzes auf dem bekannten Wiener Ausflugsberg.
    Der Kahlenberg, eine Wiener Sehenswürdigkeit und zugleich der spektakulärste Ausblick auf die Stadt, war in dieser Jahreszeit fest in der Hand der Touristen. Sie drängten sich auf der Aussichtsplattform mit den fest installierten Fernrohren, um auf das abendliche Wien hinunterzuschauen, in dem nach und nach die Lichter angingen.
    »Im 19. Jahrhundert führte die erste österreichische Zahnradbahn hier herauf«, erinnerte Wagner Kommissar Berner, der neben ihm saß und mit misstrauischen Blicken den vorausfahrenden Mercedes betrachtete. Georg hatte es sich mit Tschak auf der Rückbank bequem gemacht.
    »Ich weiß nicht, warum Valerie diesen Spector mitgenommen hat«, brummte Berner und blies den Zigarettenrauch durch das offene Seitenfenster. »Wir haben schon genügend Probleme, auch ohne zusätzliche Geheimagenten.«
    »Seid ihr sicher, dass wir die richtige Zufahrt nehmen?«, fragte Sina von hinten.
    »Warum mache ich hier überhaupt auf Fremdenführer, wenn mir sowieso niemand zuhört?«, beschwerte sich Paul und hätte beinahe Eddy aus den Augen verloren, der den Kleinbus zwischen zwei Reisebussen durchschlängelte und plötzlich unter den weit überhängenden Bäumen verschwunden war. Dann sah auch Wagner die enge Durchfahrt am Ende des Parkplatzes und bog in die Kahlenberger Straße ein. Der geteerte, schmale Weg führte in kleinen Serpentinen bergab durch einen dichten Laubwald.
    Der Mercedes der israelischen Botschaft mit Valerie Goldmann und Yftach Spector am Steuer hatte im Getümmel des Parkplatzes kurz den Anschluss verloren und tauchte schließlich in Pauls Rückspiegel wieder auf.
    »Auch fahren kann er nicht«, kommentierte Berner trocken und schnippte den Zigarettenstummel auf die Straße. »Ab jetzt sollten wir aufpassen, die Wachen können nicht mehr weit sein.«
    »Immer noch vorausgesetzt, wir sind auf der richtigen Fährte«, murmelte Wagner und schloss zu Eddy auf, der nun den schwarzen Bus im Schritttempo bergab rollen ließ. Blutrot verschwand die Sonne hinter den Hügeln des Wienerwaldes und die Stadt schien wieder zu Atem zu kommen. Die Hitze des Tages würde bald in einer sternenklaren Nacht zerfließen. Sie waren nur mehr wenige Meter von ihrem Ziel entfernt. Berner sah auf die grünen Leuchtziffern der Uhr am Armaturenbrett des Mazda. Sie zeigten 19:22 Uhr.
    Zehn Minuten später war auch Berner nicht mehr sicher, ob nicht doch der Josephsplatz die bessere Wahl gewesen wäre, zentral

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