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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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gelegen und nicht am Busen der Natur, oder gar etwas tiefer. Keine Menschenseele war zu sehen, weder auf der Straße noch in den Wäldern. Die steile Treppe aus Pflastersteinen, die bergan von der Straße in den Wald führte, schien nicht oft begangen zu werden. Zwischen den Rohren der gusseisernen Geländer hatten Spinnen ihre komplizierten Netze gebaut, auf deren Fäden die letzten Sonnenstrahlen schimmerten.
    Die Touristenströme schienen meilenweit weg zu sein, obwohl die Plattform mit ihrem Panoramablick über Wien keine zweihundert Meter entfernt lag.
    Der kleine Friedhof kämpfte tapfer gegen den Wald, der ihn langsam verschlang. Viele Gräber waren bereits unter dem Dickicht aus wilden Brombeeren, Brennnesseln und Efeu verschwunden, untergegangen in einer grünen Flut, die immer weiter anstieg und die niemand aufhalten konnte. Nur eine Handvoll Gräber und Grüfte waren freigelegt und gepflegt.
    »Da weiß man nicht mehr, wo der Wald beginnt und der Friedhof endet«, brummte Berner, der durch das windschiefe kleine Tor gegangen war und sich umblickte. Eddy trat zu ihm, während ein Teil seines Teams die Ausrüstung zusammenstellte und der andere die Gegend sicherte. Valerie schien mit Spector im Mercedes zu diskutieren.
    »Nicht gerade eine Festspielbühne«, wunderte sich Eddy, während er sich die Reste eines Spinnennetzes aus dem Gesicht wischte.
    »Und kein einziger Bewacher«, gab Georg zu bedenken, der mit Tschak an der Leine die Treppe heraufkam.
    Paul stand vor einer fast vergilbten Papiertafel, die an einen Baumstamm genagelt war, und las vor: »Der Kahlenberger Friedhof wurde am 21. Dezember 1783 eingeweiht. Er liegt mitten in Wienerwald und umfasst eine Handvoll Gräber mit Grabdenkmälern, vorwiegend aus dem Biedermeier. Hier wurden unter anderem Charles Joseph de Ligne, seine Gattin und seine Enkelin bestattet sowie Karoline Traunwieser, die als die schönste Wienerin zur Zeit des Wiener Kongresses galt und am 8. März 1815 im Alter von nur einundzwanzig Jahren an Lungenschwindsucht starb.«
    Johann, seinen Metallkoffer in der Hand, ging mit zögernden Schritten an ihnen vorbei und tiefer in den kleinen Friedhof hinein. Georg ließ Tschak von der Leine und der kleine Hund folgte schnüffelnd dem schmächtigen Sprengstoffexperten, der sich nach wenigen Metern über ein Metallgitter beugte und versuchte, die Inschrift auf zwei monumentalen Grabsteinen zu entziffern. Tschak interessierte sich mehr für die steinernen Einfassungen.
    »Ich weiß ja nicht, was du denkst, aber findest du nicht, dass uns Max vielleicht falsche Hinweise gegeben hat?«, meinte Paul leise, als er zu Georg trat und sich umblickte. »De Ligne mag ja stimmen, der Wiener Kongress ist mit der hübschen Karoline auch vertreten, aber hier ist kein Mensch außer uns. In Schönbrunn gab es zwölf Wachen …«
    »Langsam werde ich auch unsicher«, gab Sina zurück und schaute sich um. Der Friedhof und die umgebenden Waldstücke lagen verlassen da. »Würdest du hier eine Ladung Senfgasgranaten unbewacht herumliegen lassen oder sie lieber an einem touristischen Hotspot wie der Augustinerkirche, direkt neben dem Kongresszentrum und der OESZE, zünden?« Georg zog die Brauen zusammen.
    Wie auf ein Stichwort hin erschien Frank neben ihnen und schüttelte auf einen fragenden Blick des Kommissars hin nur stumm den Kopf.
    »Es sieht so aus, als seien wir alleine hier«, brummte Berner nachdenklich. »Das gefällt mir gar nicht. Wo sind eigentlich unsere beiden Geheimagenten?«
    »Die sitzen noch immer im Wagen und scheinen in einen intensiven Gedankenaustausch vertieft zu sein«, meinte Frank und bezog dann als Wachposten am Friedhofseingang Stellung, ein Steyr Sturmgewehr im Anschlag.
    Aus den Augenwinkeln sah Paul, wie Manfred und Walter in ihren schwarzen Kampfanzügen begannen, die Gräber und Grüfte zu kontrollieren, hinter jeden Stein schauten und die kleine Gruftkapelle umkreisten. Im Schatten der Bäume tauchten immer wieder Mitglieder des Teams auf, die schwer bewaffnet ihre Kreise zogen.
    »Ich glaube, wir haben die Lage auf der Bühne im Griff«, sagte Eddy leise zu Berner, der eine Packung Streichhölzer zwischen den Fingern drehte.
    »Ich weiß nur nicht, ob wir im richtigen Theater sind«, gab der Kommissar seufzend zurück. »Was ist, wenn dieser Max sich ganz einfach geirrt hat oder nicht mehr wusste, was er sagte?«
    »Dann haben wir ausgesprochen schlechte Karten«, meinte Wagner und ging den schmalen Kiesweg entlang, auf

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