Narr
glauben, Sie müssten Ihren Kameraden helfen, dann schneiden wir Ihrer Enkelin und Ihrer Tochter die Kehle durch. Aber vielleicht fällt uns vorher auch noch etwas anderes ein … Die Kleine ist ja so ein hübsches Mädchen und Soldaten an der Front sind so einsam.« Die Stimme des Anrufers wurde leise und Berner musste sich anstrengen, um ihn zu verstehen. »Fragen Sie Major Goldmann. Sie kann das bestätigen.«
»Wo?« Berner spürte, wie panische Angst und purer Hass in ihm aufstiegen und seine Hände zu zittern begannen.
»Sie lösen doch so gerne Rätsel, Herr Berner«, kicherte der Unbekannte. »Also dann. Das weiße Haus bei den beiden Löwen ist die Schleuse zwischen Leben und Tod.« Damit legte er auf.
Der Kommissar ließ das Handy sinken. »Dieser Scheißkerl«, flüsterte er, »dieses miese Schwein.« Dann wurde ihm eiskalt und schwindlig. Die Farbe wich aus seinem Gesicht und seine Lippen schrumpften zu weißen Strichen.
»Und was jetzt?«, fragte Eddy, nachdem Berner die Situation geschildert hatte. »Wenn wir die Bombe entschärfen, dann sterben Sissi und ihre Mutter, und wenn wir es nicht schaffen, dann sterben noch viel mehr Menschen.«
»Wir brauchen eine konzertierte Aktion«, entschied Valerie. »Um Punkt 10:00 Uhr müssen wir die beiden aus der Gewalt der Entführer befreien. Dann habt ihr freie Hand.«
»Wieso nicht vorher?«, fragte Paul. »Wir könnten doch zuerst die Geiseln befreien und dann die Bombe entschärfen.«
Valerie schüttelte den Kopf. »Wenn wir das machen, dann wimmelt es drei Minuten später in allen Zufahrtsstraßen vor Polizisten. Dann kommt ihr nicht einmal in die Nähe. Und eine zweite U-Bahn wie beim Arsenal gibt es nicht.« Sie überlegte kurz. »Jetzt wiegen sie sich in Sicherheit, weil sie Berners Familie haben. Nein, es geht nur gleichzeitig. Der Überraschungseffekt muss so groß sein, dass sie keinen Alarm auslösen können. Und das Timing muss perfekt stimmen.«
Schweigen legte sich über die Runde. Der grimmige Gesichtsausdruck der Männer aus Eddys Team sprach Bände.
»Gut«, entschied Berner, »trennen wir uns auf. Zwei Gruppen diesmal. Ich überlasse es euch, wer mit wem geht.«
Georg zog den Zettel aus der Tasche und las vor. »Das nächste Ziel ist der Dom in Transdanubien.«
»Ich kann leider nicht zum Dom mitkommen, das werdet ihr verstehen«, meinte Berner leise. Alle nickten und der Kommissar legte demonstrativ seinen Colt vor sich auf den Tisch, bevor er sich an Eddys Männer wandte. »Und ich mache es auch alleine, wenn es sein soll. Ihr seid weit genug mit uns gegangen, ihr habt mehr getan, als jeder andere getan hätte. Ihr habt euer Leben aufs Spiel gesetzt und wir sind alle noch hier, weil wir unglaubliches Schwein gehabt haben und weil kein einziger aufgegeben hat. Aber die Uhr läuft ab und ich kann niemanden dazu zwingen, mit mir zu kommen.« Er verbesserte sich. »Nein, ich kann euch nicht einmal bitten, weil wir alle bereits zu tief in eurer Schuld stehen.« Berner schaute in die müden Gesichter, sah die Entschlossenheit in den Augen und die geballten Fäuste auf der Tischplatte. Und dann rannen Tränen über seine Wangen und er senkte den Kopf.
Franz räusperte sich und sah Eddy an. »Chef, wenn es Ihnen recht ist, möchte ich gerne Kommissar Berner begleiten. Es wird Zeit, ein paar Leuten eine Lektion zu erteilen. Major Goldmann?«
Valerie nickte grimmig.
»Machen wir das einfacher«, schlug Eddy vor. »Ich brauche Johann für die Bombe, Helmut für die Feinarbeit und Frank als Kavallerie. Alle anderen gehen mit dem Kommissar.« Er schaute Paul und Georg fragend an.
Aber Berner nahm ihnen die Entscheidung ab. »Ihr beide geht mit Eddy, das ist ein Befehl. Wir haben keine Ahnung, wo das Senfgas versteckt ist und er wird euch beide dringend brauchen. Macht euch keine Sorgen um mich oder die beiden Mädels.« Er legte seine Hand auf Georgs Arm. »Mit dieser Truppe gehe ich in die Hölle und wieder zurück und bringe den Teufel mit, wenn es sein muss.«
Kinzerplatz, Wien-Floridsdorf/Österreich
D er weitläufige Kinzerplatz in Wien-Floridsdorf war beinahe menschenleer, als der schwarze Kleinbus mit der Aufschrift »Bogner Metallbau« fast lautlos aus einer Nebenstraße rollte und kurz anhielt. In den Strahlen der höher steigenden Sonne glänzte der schlanke Ziegelturm von St. Leopold im Donaufeld wie eine aufgerichtete Lanzette aus Kupfer. Eddy betrachtete vom Fahrersitz misstrauisch das neugotische Gebäude, die Umgebung und
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