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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Marke.
    »Wenn uns ein Radfahrer überholt, dann halte dich ganz rechts«, stichelte seine Frau weiter, »sonst zieht uns der Luftzug womöglich über die Sperrlinie. Was war eigentlich heute Nacht los? Du hast mir gar nichts erzählt.«
    Kommissar Ruzicka war froh, das Thema wechseln zu können. In knappen Worten schilderte er seiner Frau, mit einem Auge immer auf die Temperaturanzeige schielend, was sich in Nussdorf ereignet hatte. Trotz der Jahrzehnte an der Seite eines Beamten der Mordkommission war Helene Ruzicka nicht abgestumpft. Der Tod von Professor Kirschner und die Begleitumstände gingen ihr nahe. Sie hörte nur stumm zu, während ihr Mann erzählte.
    Inzwischen hatten sie die Anhöhe erreicht und Ruzicka atmete auf. Gemeinsam mit dem Peugeot, wie es schien. Vor ihnen ausgebreitet lag ein weites Tal, der Blick reichte bis zu den Voralpen auf einer Seite und dem Donautal auf der anderen. Kühn geschwungene Serpentinen führten westwärts den Berg hinunter, und während seine Frau noch immer gebannt von seiner Erzählung abwesend vor sich hin schaute, ließ Ruzicka den Wagen bergab rollen. Durch das offene Seitenfenster kam ein frischer Luftzug, der ein wenig nach Regen roch.
    Keine fünf Minuten später waren sie am Fuß des Riederbergs angelangt. Es war kaum Verkehr und Ruzicka hoffte, die Verspätung wieder aufholen zu können. Bis zum Haus seines Sohnes in Sieghartskirchen war es nicht mehr weit. Ruzicka junior war nach seiner Hochzeit in das große Haus seiner Frau auf dem Land gezogen und hatte der Großstadt nur zu gerne Adieu gesagt.
    Ein roter Lkw mit Doppelachsen rollte langsam an die Kreuzung mit der Tullner Straße und Ruzicka wunderte sich über den hochdrehenden Motor und die aufgeblendeten Scheinwerfer an einem sonnigen Tag wie diesem. Vielleicht hat der Fahrer vergessen, sie auszuschalten, dachte er und schaute vorsichtshalber wieder geradeaus. Der Ortsbeginn von Ried am Riederberg kam näher. Seine Frau bückte sich, um etwas aus ihrer Tasche zu holen, die im Fußraum stand.
    Der Lkw rammte den alten Peugeot 504 mit voller Kraft in die Seite, drückte ihn zusammen und riss ihn beinahe entzwei. Glas splitterte und Ruzicka schrie instinktiv auf und versuchte sich krampfhaft am Lenkrad anzuhalten, als sein Wagen über die Straße katapultiert wurde und in harten, rumpelnden Sprüngen direkt auf einen großen Baum zuschlitterte. Der dumpfe Lärm von brechendem Kunststoff, sich verformendem Blech und dem Aufwühlen der Erde war ohrenbetäubend. Der Stamm vollendete, was der Lkw begonnen hatte: Er brach den Peugeot endgültig entzwei. Doch das Werk war noch nicht vollbracht. Der Fahrer des Lastwagens trat erneut das Gaspedal durch und schob das Wrackteil, in dem sich Ruzicka und seine Frau befanden, mit aufröhrendem Motor und voller Wucht in eine Gartenmauer aus Beton. Dann legte er den Rückwärtsgang ein, setzte über die Grasnarbe auf die Bundesstraße zurück und fuhr rasch davon.
    Christophorus 9, der gelbe Notarzthubschrauber des ÖAMTC, landete kaum zehn Minuten später direkt auf der Bundesstraße, die von quer gestellten Polizeiwagen auf beiden Spuren für den Verkehr gesperrt worden war. Der junge, leitende Flugrettungsarzt, der heraussprang, zog den Kopf ein und lief unter den wirbelnden Rotorblättern auf die winkenden Rettungssanitäter zu, die zufällig mit ihrem Krankenwagen keine drei Minuten nach dem Unfall die Kreuzung passiert hatten. Nach einem kurzen Blick auf die eingeklemmten Unfallopfer hatte der ältere der beiden sofort zum Telefon gegriffen und den C9 von der Flugeinsatzstelle Wien/Meidling angefordert.
    Die Feuerwehr war nun seit acht Minuten damit beschäftigt, die beiden Insassen mit hydraulischen Scheren aus dem Wrack zu schneiden. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit und die erfahrenen Männer wussten, dass sie ihn fast verloren hatten. Die Sanitäter hatten dem Mann und der Frau herzstärkende Infusionen gesetzt, aber keines der beiden Unfallopfer hatte irgendeine Reaktion gezeigt. Der Puls der Frau war nicht mehr spürbar.
    Der Flugrettungsarzt sah die angespannten Gesichter der Feuerwehrleute, über die der Schweiß rann und in denen die Verzweiflung geschrieben stand. Der Rettungssanitäter, der die ganze Zeit über neben der eingeschlossenen Frau gestanden hatte, legte nochmals prüfend seinen Finger an ihre Halsschlagader. Dann schüttelte er stumm den Kopf und sah den jungen Notarzt an.
    »Kümmern Sie sich um den Mann, vielleicht hat der eine Chance …« Er

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