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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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keinen Fehler, Oberwachtmeister. Es wäre schade um seine Karriere, sein Leben und um das seiner Familie. Hat Er mich verstanden?« Der Polizist spürte, wie sich die Kälte in seinem Bauch ausbreitete. Er schluckte und nickte stumm. Der kleine Mann war ihm unheimlich.
    »Er weiß, was das Schwarze Bureau ist?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Der Oberwachtmeister verfluchte die Nacht und den Auftrag. Er hatte es gewusst. Er wollte etwas sagen, aber er brachte nur ein Krächzen zustande.
    »Niemand ist hier auf den Wagen gestiegen, niemand hat mit Ihm gesprochen und es wird keinen Bericht darüber geben. Ich kann dafür sorgen, dass Er in den nächsten Monaten befördert werden und mehr Geld für Seine Familie übrig haben wird. Damit Er dem kleinen Vinzenz das Schaukelpferd kaufen kann, dass er sich so wünscht.« Der Unbekannte machte eine Pause. »Oder ich kann dafür sorgen, dass Seine Witwe nächste Woche auf der Straße steht, mit Seinen Kindern an der Hand, und zwischen Wien und St.Petersburg nirgends Menage oder Quartier bekommt.«
    Der Uniformierte nickte verzweifelt und schließlich zog er wortlos den Hut, schlug die Absätze zusammen und salutierte. Er wartete, aber neben ihm blieb es ruhig, also drehte er sich schließlich vorsichtig zur Seite. Er war allein, die Straße war menschenleer, der Zwerg wie vom Erdboden verschluckt und nur ein weiterer Ochsenkarren rumpelte ächzend an ihm vorbei.
    Der Polizist fröstelte in der Nachtluft und eilte los, lief die Kolonne der Verzweiflung entlang nach vorne.
    Der Turm lag drohend vor ihm, er zeichnete sich schwarz gegen den dunkelblauen Himmel ab, während im Osten bereits langsam der neue Tag dämmerte. Sie mussten sich beeilen. Der Oberwachtmeister blieb kurz stehen und blickte die fünf Stockwerke hinauf. Das perfekt runde, festungsähnliche Bauwerk war aus roten, gebrannten Ziegeln errichtet worden, mit einer Reihe von schießschartenähnlichen Fenstern, die abweisend auf ihn herunterstarrten. Niemand, den er kannte, hatte das Gebäude jemals von innen gesehen, aber in den Wirtshäusern und Schankstuben munkelte man, dass er genauso tief in die Erde ging, wie er gen Himmel strebte. Genaues wusste man nicht. Man wollte es auch nicht wissen.
    Der erste Wagen war vor dem Gebäude angelangt und die Kutscher stiegen ab. Sofort öffnete sich ein metallbeschlagenes Tor und mehr als fünfzig Männer strebten hinaus und entluden das Fuhrwerk in einer blitzartigen Geschwindigkeit. Jeder Widerstand der Insassen wurde im Keim erstickt. Während alle anderen Männer und Frauen in die oberen Stockwerke gebracht und in ihren Zellen angekettet wurden, schleppte man den Mann mit der ledernen Zwangsjacke eine steile Treppe hinunter, eine weitere und dann noch eine. Es war still hier unten, kein Laut drang so tief in die Erde oder hinauf nach draußen.
    Wortlos öffneten die Männer im flackernden Licht einer Fackel ein schweres Gittertor, schnitten die Schnüre der Zwangsjacke auf und warfen den Regungslosen in die rabenschwarze Zelle. Dann schlugen sie die massive Tür wieder zu und schlossen ab. Sie hatten ihm nicht einmal ins Gesicht geschaut.
    Bundesstraße 1, westlich von Wien/Österreich
    W arum bitte müssen wir immer zu spät kommen?« Helene Ruzicka schaute ihren Mann von der Seite böse an. »Dieses rollende Wrack ist eine Sache, aber bis du endlich aufstehst, ist der Hahn vom Krähen heiser geworden.«
    »Ich habe auch die ganze Nacht gearbeitet«, gab Gerald Ruzicka zurück, »während alle Frühaufsteher warm und kuschelig in ihren Betten gelegen haben. Unser Sohn wird ein paar Minuten warten können. Und was seine Frau betrifft, wie wäre es, wenn sie endlich einmal kochen lernen würde? Andere gehen ins Wirtshaus …«
    »… und du hast eine Familie, die dich am Sonntag regelmäßig zum Essen einlädt. Was willst du mehr?«
    Ruzicka war versucht zu sagen »Ins Wirtshaus«, überlegte es sich aber dann doch.
    »Und was dieses Auto betrifft, so hat es uns bisher noch überall hingebracht, sogar nach Italien«, nahm Ruzicka einen Anlauf, seinen heiß geliebten Peugeot zu verteidigen.
    »Ja, weil wir mit dem Autoreisezug gefahren sind«, entgegnete seine Frau schnippisch. »Diese rollende Antiquität nimmt dir nicht einmal der Schrotthändler ab. Rost lässt sich nicht recyceln.«
    Ruzicka schwieg gekränkt. Der alte 504 keuchte den Anstieg zum Riederberg hinauf und die Nadel des Kühlwasserthermometers näherte sich bedrohlich der roten

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