Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
manche Fans schmuggle ebe an den seltsamste Stelle was rein. Vielleicht im Schuh?«
»Da kann man doch nicht mehr laufen, mit so einem großen Teil im Schuh!«, protestierte Nachtigall und sah auf seine schwarzen Slipper.
»Ja, nicht in solchen Schuhen!«, Albrecht Skorubski grinste, »Die jungen Leute tragen weiche, breite Snea-kers. Da ist allemal noch Platz für so etwas – notfalls hinkst du eben ein bisschen.«
Ein vergrößertes Tatortfoto hing an der Wand. Peter Nachtigall betrachtete es schweigend. Hans-Jürgen Mehring war auf seinem Platz zusammengesunken, den Oberkörper leicht vornüber gebeugt. Man konnte ihn durchaus für betrunken oder schlafend gehalten haben.
»Michael, klär doch morgen, ob die Plätze neben dem Opfer auch alle fest vergeben sind und ob die ›Besitzer‹ dort saßen. Jemandem, der ihn kannte, hätte doch auffallen müssen, dass mit ihm etwas nicht stimmt.«
»Weißt du – ich begreife nicht, wie alle nach Hause gehen können und nicht einer mal den eingeschlafenen Herrn antippt, um ihm zu sagen, dass das Spiel aus ist«, meinte Skorubski vorwurfsvoll. »Die haben neben einem Ermordeten gesessen und nichts bemerkt!«
»Einen Betrunkenen anzusprechen ist gar nicht so ohne. Möglicherweise pöbelt er dich an oder verprügelt dich. Da haben eben alle die Finger davon gelassen.«
»Hat ›Energie‹ das Spiel eigentlich gewonnen?«
Zwei Augenpaare starrten Skorubski verständnislos an.
»Unentschieden!«
»Oh – ich hab nicht bis zum Ende hingehört und zum Zeitung lesen war heute noch keine Zeit. Ich frage mich nur, ob es nicht vielleicht doch kein geplanter Mord war. Ein Zugereister auf der falschen Tribüne, der seine Chance nutzt.«
»Zufall«, schrieb Nachtigall auf einen Pappstreifen und hängte ihn auf.
»Du meinst also, es kam ein Fan aus Rostock mit einem Vorstecher im Schuh zum Spiel, um in einem für ihn günstigen Moment seinen Vordermann damit zu ermorden?«
»Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich. Aber deshalb ist es doch nicht völlig ausgeschlossen.«
Nach einer Pause meinte Nachtigall trocken:
»Dann können wir nur hoffen, dass Michael endlich den Täter auf den Videos findet!«
12
Paul Mehring parkte seinen klapprigen Kadett schwungvoll auf der großen Stellfläche ein. Müde fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar, seufzte und hievte sich dann aus dem durchgesessenen Fahrersitz. Automatisch drehte er sein Gesicht himmelwärts und prüfte kritisch die Wetterlage wie ein Spürhund, der Witterung aufgenommen hatte.
»Es wird Regen geben«, murmelte er vor sich hin. Sein Vater hatte Regen besonders gemocht, fiel ihm plötzlich ein. Bei Regenwetter bestellten die Leute lieber die Männer von der Spedition, als ihre Transporte selbst zu organisieren – sie wurden nämlich nicht gerne nass. So konnten sie im Warmen und Trockenen sitzen und in aller Gemütsruhe den Packern dabei zusehen, wie sie ihre Habe durch die Gegend schleppten, pflegte er seinen Söhnen zu predigen, wenn sie über Regenwetter maulten.
Und nun war er tot.
Paul lauschte in sich hinein und versuchte dem Gefühl, das er dort in der Tiefe aufzuspüren glaubte, einen Namen zu geben. Freude, Erleichterung? Schuldbewusst senkte er den Kopf und stapfte eilig auf das Restaurant zu, in dessen Hinterzimmer die Mind Watchers ihre Zusammenkünfte abhielten. Kraftvoll stieß er die Tür auf und kämpfte sich durch die Wand aus Bierdunst und Zigarettenqualm zum Versammlungsraum durch.
Stille senkte sich über die rund 25 Mitglieder, die sich dort eingefunden hatten. Er erkannte einige mit Blessuren vom morgendlichen Zusammenstoß mit den Rowdys und spürte auch, wie seine Kopfschmerzen wieder aufflammten. Zwei hatten große Pflaster am Kopf wie er selbst, bei einem anderen war die Hand verbunden. Mindestens die Hälfte würde morgen mit einem blauen Auge zur Arbeit gehen müssen. Vorsichtig tastete er nach dem Pflaster auf der Stirn, hinter dem es unangenehm pochte und zwickte, und fuhr mit den Fingerspitzen prüfend über die Schwellung am Auge. Eine ältere Dame mit schlohweißem Haar erhob sich, drängte sich an den anderen vorbei und nahm ihn fest in die Arme.
»Es tut uns allen so leid, Paul. Es ist schrecklich, der eigene Vater ermordet – und dann auch noch diese Krawalle heute – es muss alles furchtbar für dich sein. Wenn du in irgendeiner Form Hilfe oder Unterstützung brauchst, kannst du dich natürlich jederzeit an uns wenden. Das weißt du hoffentlich«, erklärte sie mit
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