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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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Freizeitgestaltung, vom Zusehen zum Tun, vom Fernsehfilm zum Buch. Qualität ins Leben bringen – in allen Bereichen. Wir stellen viele Dinge des Alltags selber her, zum Beispiel Möbel, spielen mit unseren Kindern, lesen ihnen vor, treffen Freunde, singen am Lagerfeuer.«
    »Arbeiten?«, fragte Albrecht Skorubski dazwischen.
    Paul Mehring warf ihm einen geringschätzigen Blick zu.
    »Wir sind doch nicht weltfremd! Natürlich gehen wir arbeiten, studieren, besuchen die Schule. Manche sind Hausfrauen, andere Ärzte und Rechtsanwälte, eine Sekretärin, zwei Lehrer – haben Sie gedacht, wir sind unterbeschäftigt? Ich mache gerade meinen Master!«
    »Kein Gameboy, keine Computerspiele, kein Kino?«, schaltete sich Nachtigall wieder ein.
    »Gute Filme, ja. Nur keine billige Unterhaltung zum Ablachen oder tumbe Action.«
    »Ist das nicht schwierig? Unser Alltag ist auf Menschen wie Sie nicht zugeschnitten. Wie erleben denn Ihre Kinder den Verzicht auf all die bei den anderen angesagten Dinge?«
    »Nun, wir möchten, dass unsere Kinder erkennen, dass das wahre Abenteuer das Miteinander ist, nicht das Bewegen einer virtuellen Figur durch eine virtuelle Welt per Mausklick. Die hat dir nicht wirklich etwas zu sagen, hat keine wahren Emotionen, erweitert nicht deinen Horizont. Manche verstehen schnell – andere sind damit zunächst überfordert. Aber wir sind zuversichtlich. Sie bringen Freunde aus der Schule oder dem Kindergarten zu uns mit und die sind von unserer Form des Zusammenlebens in der Regel begeistert.«
    »Alles Vegetarier?«
    »Nach Möglichkeit – nicht alle schaffen das. Es ist in der Regel einfach nur eine Frage der Umstellung. Wir haben auch einige Veganer bei uns.«
    »Ihr Vater war ja mit Ihrem Engagement für diese Gruppierung nicht einverstanden.«
    »Nein. Er konnte es nicht einmal im Ansatz akzeptieren. ›Der Mensch braucht Spaß im Leben‹, war sein Motto, ›damit er die Härten besser ertragen kann.‹ Er hat nicht sehen wollen, dass wir nicht gegen Spaß und Freude sind – nur gegen die Methoden, mit denen Menschen versuchen, Entspannung und Unterhaltung zu erreichen.«
    »Viel Spaß hat er als Kind bestimmt nicht gehabt. Vielleicht stammt seine Haltung aus der Zeit.«
    »Wie kommen Sie denn darauf? Er hatte eine wundervolle Kindheit, seine Eltern haben ihn geliebt und versucht, ihm trotz aller Schwierigkeiten jeden Wunsch zu erfüllen. Als mein Vater Kind war, lag der Hof praktisch im Wald. Er hat sich immerzu rumgetrieben, hat anderen Bauern Streiche gespielt, in der Schule war er schwierig und meine Großmutter musste mehr als nur einmal beim Klassenlehrer zur Audienz. Mein Vater hat wirklich jeden Quatsch gemacht, den Sie sich ausdenken können.«
    »Hat er Ihnen das erzählt?«
    »Ja. Er hat immer geschwärmt und uns bedauert, weil wir all das schon nicht mehr erleben konnten und unsere Kinder auch nicht.«
    Nachtigall zögerte. Konnte es ein, dass Paul Mehring die schrecklichen Narben auf dem Rücken seines Vaters nie gesehen hatte? Vielleicht waren sie ein streng gehütetes Familiengeheimnis, von dem die Kinder nichts erfahren sollten. Er beschloss, zunächst Wilhelm Mehring darauf anzusprechen – den Sohn konnte er später immer noch danach fragen.
    »Hat Ihr Vater Sie eigentlich rausgeworfen – oder haben Sie freiwillig Ihre Sachen gepackt?«
    »Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie Sie vielleicht annehmen. Ein bisschen von beidem, würde ich denken. Er hat das Klima vergiftet und dadurch meinen ›freiwilligen Auszug‹ erreicht. Ich konnte diese ewigen Diskussionen nicht mehr ertragen, die doch immer nur im sinnlosen Streit endeten. Meine Mutter war die Leidtragende. Während ich zornig in meinem Zimmer saß, bemüht, mich wieder unter Kontrolle zu bringen, musste sie seine Schikanen ertragen.«
    Er schwieg, starrte auf ein paar übrig gebliebene Brotkrümel und begann, sie auf dem Tisch hin und her zu schieben.
    »Er hatte dann an allem etwas auszusetzen. Das Essen war zu heiß oder zu kalt, zu scharf oder zu flau, zu üppig oder nicht ausreichend bemessen. Ihre Haare, ihre Kleidung, ihre Art sich zu bewegen – nichts konnte sie ihm recht machen. Es war für uns alle die beste Lösung so.«
    Der junge Mann machte ein verdrossenes Gesicht und Nachtigall fragte sich, was genau sich an solchen Tagen bei der Familie Mehring abgespielt haben mochte. Der älteste Sohn jedenfalls schien es nicht weiter ausführen zu wollen und so suchte er nach einem anderen

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