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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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eine kranke Vorstellung in den Köpfen festsetzen. Je nachdem wie intensiv wurde möglicherweise die gesamte Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen auf einen neuen Kurs gebracht.«
    »Gibt es eigentlich einen offiziellen Sündenkatalog, der die Geißelung nach sich zieht?«
    »Nein – so konkret findet man das selbst im Internet nicht. Vielleicht, wenn ich etwas mehr Zeit investiert und weitere Links getestet hätte. Flagellanten waren zu Pestzeiten sehr aktiv, liefen durch die Straßen und geißelten sich, um Gott zu bitten, die mörderische Krankheit wieder aus der Stadt zu verbannen. Das müssen gespenstische Umzüge gewesen sein: am Straßenrand starben immer wieder Pestkranke, stürzten zu Boden und die anderen rückten einfach ein Stück ab. Viele hielten den schwarzen Tod für eine göttliche Strafe, zumindest solange, bis auch eindeutig gottesfürchtige Menschen daran starben. Heute weiß man, dass diese Flagellantenumzüge eher zu einer Verbreitung der Seuche beigetragen haben, denn nur zu diesem Ereignis versammelten sich die Menschen noch – sonst ging man sich aus dem Weg. Bei den Umzügen aber konnten die Flöhe ungehindert von einem Wirt zum nächsten hüpfen.«
    Der Psychologe goss sich ein Glas Wasser ein, wobei er sich bewusst langsam bewegte. »Es gab auch das Geißeln durch andere – als echte Strafmaßnahme. Zum Beispiel wurde den Quellen nach Jesus erst gegeißelt und dann gekreuzigt«, er suchte in einem kleinen Stapel Papier und las dann vor: »Hier. Matthäus 27,26. Verwendet wurden Peitschen oder Stöcke. Es soll vereinzelt Peitschen gegeben haben, die mit Metallstücken gespickt waren, was ganz erhebliche Verletzungen hervorgerufen haben muss. Aber um sich selbst zu geißeln, verwendet man wohl eine mehrschwänzige, kurze Peitsche. Wer sich regelmäßig so bestraft, entwickelt entweder große Demut oder kommt sich eventuell auserwählt vor. Er kann die Schmerzen ertragen, er kann, zum Beispiel, sexuelle Lust überwinden.«
    »Hans–Jürgen Mehring war wohl insgesamt ein schwieriger Mensch. Sein Sohn Markus hat ihn als Sadisten bezeichnet.«
    »Ein Unterdrücker? Einer, der Spaß daran hat, sich fiese Dinge für die anderen auszudenken?«, jetzt war es an Wiener, auf seinem Stuhl bis an die vordere Kante zu rutschen.
    »Ja. Sieht so aus.«
    »Ein Sadist«, erklärte Emile Couvier, »ein echter Sadist, der hat ein Gespür für Menschen, das er schamlos ausnutzt, um seinen eigenen Spaß zu haben. Er findet heraus, was du am wenigstens leiden kannst, was dich am tiefsten verletzt, was dich am meisten quält – und tut dann genau das. Sadisten sehen ungerührt zu, wie ihre Opfer sich verzweifelt bemühen, alles richtig und gut zu machen, um dann zu behaupten, sie hätten an dieser oder jener Stelle einen Fehler gemacht und müssten dafür angemessen bestraft werden, gleichgültig, ob das nun stimmt oder nicht. Oder sie ändern die Regeln willkürlich. Oft genug sind die Opfer so abhängig, dass sie sich nicht wehren können oder sich nicht trauen. Manchmal beherrscht solch ein Mensch eine ganze Familie über viele Jahre und keiner wagt den Aufstand.«
    »Was für eine grauenhafte Vorstellung, mit so jemandem zusammenleben zu müssen.«
    »Mütter werden bei der Stange gehalten, indem er droht, die Kinder für die Verfehlungen der Mutter zu bestrafen – Verfehlungen, die es in Wahrheit nie gegeben hat – Kinder werden zum Stillschweigen gezwungen, indem man ihnen erklärt, die Mutter würde bestraft, wenn sie bei Freunden oder in der Schule über Familieninterna sprächen. Eine Atmosphäre der Angst beherrscht die Familie.«
    »So wird es bei Familie Mehring gewesen sein«, bestätigte Peter Nachtigall und fasste sein Gespräch mit dem jüngsten Sohn zusammen.
    »Sie sprechen noch immer nicht frei darüber – als lebten sie in der Angst, er könne jeden Moment zurückkommen und sie für ihre Aussagen zur Rechenschaft ziehen.«
    »Hat die Ehefrau von der sexuellen Nötigung gewusst?«, wollte Emile wissen.
    »Sie behauptet, es nicht einmal geahnt zu haben. Ihr Sohn meint, sie hätte es ihm erzählt, da es für sie allein nicht zu ertragen gewesen wäre.«
    »Ich frage nur, weil ich mir vorstellen könnte, dass ein Sadist eine solche Information gezielt einsetzen würde, um seine Frau zu demütigen. ›Siehst du, ich habe mit anderen Spaß und nun nehme ich mir deinen Körper auch noch und du wirst dich nicht wehren.‹ Ein weiterer Schlag gegen die Selbstachtung der Ehefrau.«
    »Das

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