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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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War das Max, der Wirt? Aber war sein Turban nicht grün gewesen? Türkis, erinnerte sie sich, aber das Bild verschwamm in ihrem Kopf. Außerdem mochte das im schummrigen Licht anders ausgesehen haben als jetzt im Strahl der Scheinwerfer.
    »Natürlich haben wir für diese Nacht einen Faschingsbrief vorbereitet«, ertönte eine dunkle, wohlklingende Stimme. »Lasst’s mich anfangen.« Nein, das war nicht die Stimme von Max. Der Unbekannte räusperte sich und begann vorzutragen: »Der Moser Sepp ist heuer allen beispielhaft vorangegangen mit seiner Jagdleidenschaft. Vor allem die Frauen können davon ein Lied singen. Falls sich eine als die Einzige sieht, muss sie enttäuscht sein.« Die Männer im Publikum lachten. Der Sprecher fuhr fort, die Leute aus dem Ort auszurichten und an kleine und größere Schandtaten des vergangenen Jahres zu erinnern. Das Mikro wechselte den Besitzer, ein Reim war lustiger als der andere und die Stimmung im Raum stieg noch mehr.
    Berenike klatschte mit den anderen. Langsam entspannte sie sich doch. Sie musste grinsen – aber nur kurz. Weiter hinten im Salon entstand Unruhe, wie ein aufkommender Sturm die Herbstblätter auffliegen lässt. Erst noch entfernt, näherte sich der Wirbel der Bühne. Die Menschen wurden zur Seite gedrängt, einige schimpften. Aber auf wen? Berenike stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu erkennen, was vorging. Jonas runzelte die Augenbrauen und tastete nach der Stelle, an der er üblicherweise sein Schulterholster mit der Waffe trug.
    Eine wilde Gestalt drang forschen Schrittes zur Bühne vor, warf dabei den Oberkörper wie hinkend von einer Seite zur anderen. Sie war in bunt durcheinander gewürfelte rohe Felle gehüllt, das Gesicht verbarg sich hinter einer Ziegenmaske mit riesigen Hörnern.
    »He, was soll das?«
    »Wer bist du überhaupt?« Die vorne Stehenden rempelten ihn an, versuchten, ihn von der Bühne wegzuschubsen.
    Jonas nickte Berenike kurz zu und schob sich näher an das Geschehen. Der als Ziegenbock Verkleidete drängte mit harter Hand die letzten Menschen vor der Bühne zur Seite. Gierig griff er nach dem Mikro. »Ein Mord ist ein Mord – nicht nur so a Wort«, singsangelte die verkleidete Gestalt in seltsamem, irgendwie süßlichem Ton. Es war nicht klar, ob Mann oder Frau hinter der Maske steckte, so verzerrt klang die Stimme. Nur dass die Gestalt extrem schlank war und sich schlecht hielt, konnte man trotz der Felle erkennen.
    Der Maskierte tänzelte mit dem Mikro durch den Salon, verbeugte sich vor einzelnen Grüppchen von Gästen. Dann begann er wieder zu singen: »Es ist so schiach kalt so allein in ein’m Bett …«
    »… da denkt sich der Pfarrer was Warmes ganz nett«, fiel jemand von der anderen Seite des Raums ein, den Berenike nicht erkennen konnte.
    Stille folgte. So plötzlich, wie der Spuk begonnen hatte, war er wieder vorbei.
    »Wo ist er?«, schrie Berenike, »wo ist der Ziegenbock hin?« Aber niemand konnte ihr antworten, der tierische Sänger war wie vom Erdboden verschluckt.
    »Hast du das gehört?« Ariane tauchte neben ihr auf, einen Zipfel des blau-weißen Kimonos, den Berenike ihr gegeben hatte, hinter sich her schleifend. »Das war ein Hinweis. Wir müssen die Polizei …«
    »Habt ihr ihn erkannt?« Die bezaubernde Jeannie lüftete neben ihnen ihren Schleier. Sie entpuppte sich als Helena, Berenikes Brotlieferantin. Sie keuchte ein wenig, als sie zu ihnen stieß.
    »Wen? Den Sänger?«
    »Ja, was er darstellen wollt. Er hat wohl auf Pfarrer Stettin angespielt.«
    »Meinst? Woher weißt du davon, Helena?« Berenike hatte die Gaifahrerin und Künstlerin eine Weile nicht gesehen. Da Hans meist den Salon aufsperrte, nahm er oft ihre Lieferungen entgegen.
    Helena zuckte bedeutsam mit den Achseln. »Was der Stettin tut, weiß jeder hier!«
    »Ach. Du auch?«
    »Was hätt ich denn tun sollen?«
    »Ja, was hättest du tun sollen.« Berenike fühlte eine hilflose Wut. »Den Kindern helfen vielleicht. Ihre Andeutungen ernst nehmen. Für sie da sein. Die Taten des Täters öffentlich machen. Ihm sein Handwerk legen. Wär auch eine Idee.«
    »Aber ich allein? Berenike, wie denn?«
    »Ja, wie denn. Klar. Wenn alle anderen schweigen.«
    »Ich allein hätte mich lächerlich gemacht. Wer hätte einem Mann Gottes Böses zugetraut? Hätte ich Kinder, würd ich sie jedenfalls nicht bei dem Klosterchor mitmachen lassen«, ergänzte Helena, »oder sie gar ins Internat dort schicken.«
    »Sie hat recht«, unterbrach Ariane ihre

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