Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Chefredakteur, Berenike?«, fragte Alma und fuhr zackig los.
»Er kommt sich so gut vor mit seiner, ach, so kritischen Position. Investiga-Dings-Bums-Blabla. Ich hasse die Presse.«
»Aber …«
»Ich weiß, du arbeitest bei dem Magazin und bist stolz auf deine Kolumne. Ist auch toll! Trotzdem. Diese Medienmeute hat mich schon mehr als einmal fertig gemacht. Tun, als ob sie allein die Wahrheit und die einzig seligmachende Art zu leben wüssten.«
»Wie du meinst. – Wie schätzt du die Geschichte mit dem Waffenproduzenten ein?«
»Schwer zu sagen. Mir geht Arianes Zorn gegen die Jäger nicht aus dem Kopf. Immerhin hat man eine ihrer Katzen getötet und eine zweite wird vermisst.«
»Was, wenn … ich meine, ich mag die Ariane wirklich … aber was, wenn wir uns ganz unnütz Sorgen machen um sie? Was, wenn meine Kollegin …« Grübelnd sah Alma durch die Scheibe und fuhr nach einem Moment zu reden fort. »Was, wenn sie einen Krieg gegen die Jäger führt?«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, antwortete Berenike.
»Vor allem, sollte ihre Katze wirklich erschossen worden sein.«
Sie verabschiedeten sich vor Berenikes Salon. Drinnen übergab Berenike die Faschingsdekorationen an Hans. »Werd mich gleich darum kümmern«, versprach der Kellner. Berenike schälte sich aus ihrer Daunenjacke und zog einen grünen Salwaar Kameez an, eine Hemd-Hose-Kombination, die immer praktisch war. Im Lokal war nicht viel los und so setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Zeit, im Internet mehr über Ariane Meixner nachzuforschen. Das hätte sie längst tun sollen. Wenn die junge Frau ein Nebengeschäft laufen hatte, brauchte sie dafür Kunden – und dafür musste man werben. Vielleicht hatte sie eine eigene Webseite, die irgendwelche neuen Spuren ergab. Außer, diese Sachen liefen über Mundpropaganda, so wie es auch in der Eventbranche der Fall gewesen war.
Sie fror immer noch. Nachdenklich ging Berenike zur Theke, bereitete sich eine Kanne frischen Ingwertee zu, der würde sie von innen her wärmen. Zurück im Büro, drehte sie den Thermostat der Heizung bis zum Anschlag. Ein beruhigendes Surren und Gurgeln drang aus dem Heizkörper. Berenike goss Tee ein und schnupperte wohlig an der Tasse. Sie nippte vorsichtig daran, während der PC asthmatisch hochfuhr. Wärme breitete sich in ihr aus, langsam, aber doch.
Sie gab den Namen ›Ariane Meixner‹ in die Suchmaschine ein. Die ersten Ergebnisse waren Werbeanzeigen, die rein nichts mit der Journalistin zu tun hatten. Hier war etwas Interessantes – eine Plattform, auf der Freiberufler ihre Projektmitarbeit anboten, darunter auch ›Ariane Meixner, Mag. Phil.‹: »Ich verfasse Ihre Lebensgeschichte«, stand da, »wie dramatisch sie auch sein mag. Einfühlsam bringe ich Ihre Erlebnisse zu Papier. Rasch, kostengünstig und nach Ihrem Geschmack. Damit Sie Erlebtes aufarbeiten – und sich davon lösen können. Für ein glückliches weiteres Leben und ein Vermächtnis an Ihre Lieben.«
Berenike fand noch ein paar ähnlich lautende Profile auf anderen Portalen. Darunter ein seltsames Blog mit dem Namen »Ende der Schonzeit« – für Jäger. Im Impressum fanden sich Arianes Name und – Berenike stutzte – der von Alma. Eine eigene Webseite hatte die Journalistin jedoch nicht. Also surfte Berenike weiter zum Internetangebot des Bertram Verlags, den der Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins erwähnt hatte. Die Startseite zeigte in einem schwarz-weißen Holzschnitt die christliche Kreuzigungsszene. Berenike schauderte, trank rasch einen Schluck Ingwertee. Sie klickte die Liste erschienener Bücher des Verlags an und schauderte erneut. ›Fromme Frauen‹, das ging gerade noch. Unter den Neuerscheinungen fand sich Halb- und Scheinprominenz. Ein Sportlergesicht, das Berenike vage bekannt vorkam. Darauf noch ein Schluck Tee, der leider langsam kalt wurde. Sie wollte die Tasse wegstellen und erstarrte beim Blick auf den Bildschirm.
›Mein Leben als Buße‹, ließ das nächste angeklickte Cover auf das Ärgste schließen. Die Tasse landete klirrend auf der Untertasse. Das Buchcover zeigte ein blutendes Stück Fleisch, Menschenfleisch, das kaum noch Menschliches an sich hatte. Es war zerstört von einer Geißel aus etwas wie Stacheldraht, der sich um einen Oberschenkel wand. Selbstgeißelung, sie hatte davon gehört. Kalt, ihr war schon wieder eiskalt.
Die Leseprobe machte die Sache nicht besser: ›Zur Sünde verführt, so wird der Mensch, der Mann geboren. Das Weib …‹
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