Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
immer diese Rollenspiele! Warum ich?«
»Weil du nicht so bekannt bist hier. Lebst doch erst seit ein paar Jahren im Ausseerland. Du weißt, wie man meine Familie sieht. Seit ich als Journalistin arbeite, bin ich noch unbeliebter.«
»Hm.«
»Siehst du. Tu es für die Kinder, Berenike. Für Niku. Und die anderen, die es sicher gibt.«
»Na gut. Aber ich muss mich darauf vorbereiten.«
»Tu das.«
Berenikes Blick flog zur Theke, zu Max, ihre Blicke kreuzten sich. Ob er mitgehört hatte? Berenikes Hände zitterten, als sie die Tassen aufs Tablett stellte, aufstand und nach der Teekanne griff.
32.
Lavendelblütentee
Es läutete lang unter der Nummer des sogenannten Familienhauses, die Ariane Berenike zugesteckt hatte. Erst zuhause und in Ruhe wagte sie es, diese Nummer zu wählen. Schließlich hatte sie sich erst eine Geschichte zurecht legen müssen. Sie hatte sich eine große Kanne Lavendelblütentee zubereitet.
Ein Kind, Berenike verlor sich in Gedanken, während sie darauf wartete, dass sich jemand meldete. Muttersein hatte nie so recht zu ihren Plänen gezählt. In ihrer Kindheit hatte sie die Möglichkeit zwar nicht ausgeschlossen; doch mit den Jahren verspürte sie immer weniger den Wunsch, sich zu reproduzieren. Sie wunderte sich, wie ihre Schwester alles unter einen Hut brachte, Job, zwei Töchter, die sie ohne Partner großzog. Wenn dann noch eine Sache wie die mit Jennys übergriffigem Lehrer dazu kam … sie musste Selene fragen, wie die Sache ausgegangen war. Wie wohl ein Leben als Mutter jetzt aussähe, mit einem Wesen, das auf sie angewiesen wäre? Wie es sich anfühlen würde, so ein Wesen aus dem »eigen Fleisch und Blut«? Sie war 38, wurde 39, viel Zeit blieb ihr, biologisch gesehen, nicht mehr, zumindest nicht für ein eigenes Kind. Gosh, sie wurde wirklich schon zu einem Abbild ihrer Mutter, die ständig nachfragte, ob sie nicht doch ein Baby wolle … jetzt, wo sie Jonas …
»Familienhaus, Grüß Gott?« Eine zurückhaltende, irgendwie fragend klingende weibliche Stimme unterbrach ihre Gedankengänge.
»Guten Tag. Ich … ich habe Ihre Nummer von einer … Freundin. Sie … Sie haben ihr wohl sehr geholfen. Wissen Sie, ich kann keine Kinder bekommen«, sagte Berenike leise und streichelte dabei Dr. Watson, der es sich gerade auf ihrem Schoß bequem machte. »Meine Freundin hat gesagt, dass Sie mir helfen könnten.«
»Ich wüsste nicht, wie, meine Dame.«
»Meine Freundin erwähnte eine Adoption, und dass Sie da gewisse Möglichkeiten hätten …«
»Tut mir leid, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, schnitt ihr die Stimme resolut das Wort ab.
»Aber meine Freundin meinte, es gäbe Kontakte ins Ausland und Sie könnten vermitteln. Wissen Sie, ich lebe allein, bin unverheiratet und fast schon 40. Da ist es in Österreich so gut wie ausgeschlossen, dass …«
»Das muss ein Irrtum sein, bedaure.«
»Meine Freundin nannte Pfarrer Stettin als Kontaktperson. Ist er zu sprechen, bitte?« Wie schon bei ihren Nachforschungen in dem Verlag gab sich Berenike besonders höflich. Direkt unterwürfig kam sie sich vor.
»Sie haben sich mit Sicherheit verwählt, meine Dame. Versuchen Sie Ihr Glück bei der Caritas. Auf Wiederhören.«
Ein Klicken, die Leitung war unterbrochen worden. Damn it! Wenn das nicht verdächtig war? Ein Schuldeingeständnis war es aber auch nicht. Sie musste sich etwas Besseres einfallen lassen … aber was?
Die nächsten Tage gingen mit den Vorbereitungen für das Faschingsfest drauf, das Berenike heuer veranstalten wollte. Sie wollte daran trotz des Mordfalles festhalten, die Ermittlungen brachten gerade nichts Neues. Was wohl mit Gerhard war? Noch saß er in U-Haft. Seit Wochen kündeten farbenfrohe Plakate von der ›Orientalischen Nacht‹ in ihrem Salon für Tee und Literatur. Am Faschingsdienstag sollte es so weit sein, also galt es, die Räumlichkeiten entsprechend umzugestalten, auch wenn vieles bereits dem Motto entsprach. Helena, Ariane und Ragnhild halfen beim Dekorieren. Gemeinsam mit Susi und Hans verteilten sie Teppiche und Sitzpolster statt der üblichen Möbel in den Räumen. Im Literatursalon wollte sie ihre Gäste mit dem sinnlichen Ambiente einer kleinen Wüstenoase bezaubern, die ein paar Palmen und ein winziger künstlicher Brunnen vorgaukelten. Sie holte die orientalischen Lampen aus ihrer Wohnung, die hinter fein ziseliertem Messing ein vages Licht verbreiteten. Bunte Tücher wurden aufgehängt, um die Räume abzudunkeln, wie in
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