Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
»Hoorig, hoorig …«
Bloß nicht nach unten schauen, dachte Klaus.
Plötzlich spürte er einen dumpfen Schlag gegen den Kopf. Klaus blickte für einen Moment nach oben. Hinter dem Balkonsims im zweiten Stock stand eine alte, bucklige Frau mit grauen, zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren. Ihr Blick verriet eine gefährliche Entschlossenheit.
In der Hand hielt sie einen Besen, der sich gerade wieder auf seinen Kopf richtete. Die alte Winkler. Na prima!
»Ei’brecher!«, krächzte die Alte. »Un des am helllichte Dag!«
Es folgte ein dritter Schlag.
»He, Frau Winkler!«, rief er, doch vergebens: Die Nachbarin war schwerhörig und kurzsichtig. Dafür traf sie allerdings recht gut.
»Ei’brecher«, krächzte die Alte noch mal und etwas lauter.
Als sie erneut mit dem Besenende ausholte, konnte sich Klaus gerade noch ducken. Schnell rutschte er das Regenrohr hinunter. Mit den Knien und Händen schrammte er dabei immer wieder an den Umfassungen der Verankerung entlang. Doch er spürte keine Schmerzen mehr. Sein Körper war wie taub vor Kälte und Liebeskummer.
Als er endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, fasste ihn jemand an der Schulter. Er drehte sich um: Hubertus.
»Komm, Klaus, lass uns nach Hause gehen. Das bringt doch nichts!«
Widerspruchslos folgte er seinem Kumpel. Er war bis auf die Knochen durchgefroren. Hatte Kerstin sich doch tatsächlich nach zwei Tagen einen Neuen geangelt! Diese verdammte Fasnet! Und was bildete sich dieser Hansel eigentlich ein? Womöglich hatte er auch noch Frau und Kinder? Klaus war sich sicher: Sein Nebenbuhler war skrupellos.
Dann erst fiel ihm auf, dass neben Hummel auch noch Graf Zahl trottete, was ihm überaus peinlich war.
»Mach dir nichts draus«, meinte der. »In ein paar Tagen kommt sie wieder zur Vernunft.« Er machte eine Pause. »Oder auch nicht«, sagte er dann trocken.
Offenbar hatte Hummel ihm schon alles erzählt. Immerhin schien sich Graf Zahl weitere Scherze zu verkneifen. Doch in dieser Situation war Klaus Riesle eigentlich alles egal. Ohne erkennbare Regung hörte er sich an, was Hubertus zu berichten hatte.
»Ich habe meinem Kollegen von den Botschaften erzählt. Schließlich ist er Rätselexperte. Aber er weiß auch nicht, was es damit auf sich hat.«
»68, 69«, murmelte Graf Zahl. »Vielleicht stehen die Ziffern auf diesen Nachrichten für die Zahl an Frauen, die er an Fasnet abgeschleppt hat. Eventuell hat er die durchnummeriert …«
»Hör auf mit diesen Witzen«, rügte ihn Hummel. »Hatte Berger wirklich einen solchen Ruf?«
Zahl nickte zögernd. »Ich war ja nie dabei«, meinte er. »Aber sein Ruf war schon imposant – früher zumindest.« Dann wandte er sich an Klaus Riesle: »Wenn Berger nicht neulich den Narrosäbel abgegeben hätte, würde ich sagen: Das ist möglicherweise auch der Mann, der sich an deine Freundin rangemacht hat. Eine Hanselscheme hätte sich Berger als fanatischer Villinger allerdings nie aufgezogen – da bin ich mir sicher …« Wieder grinste er spöttisch, um sich danach allerdings wieder zu fangen. »Entschuldigung. Manchmal geht’s ein bisschen mit mir durch.«
Riesle winkte müde ab.
»Fassen wir doch mal euren Fall zusammen«, meinte Zahl. »Es gibt vier Möglichkeiten, wenn ich das richtig sehe. Entweder eine Eifersuchtsgeschichte, an die ich aber eigentlich nicht recht glaube. In den letzten Jahren soll sich Bergers Jagdinstinkt ohnehin etwas gelegt haben. Er war fest mit dieser einen Blondine liiert, und wenn er wegen der sogar sein Testament ändern und sie heiraten wollte …«
Klaus versetzte es wieder einen Stich in die Magengegend. Wegen dieser Frau lag nun seine Beziehung in Schutt und Asche.
Zahl fuhr fort: »Eine andere Möglichkeit wäre, dass Gerbert oder ein anderer Schwenninger den guten Berger in den Narroruhestand verabschiedet hat, weil es Konflikte in der Fasnetauffassung gab.« Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir aber auch nicht vorstellen. Gerbert ist ein Hitzkopf – aber niemand, der einen Mord plant. Es gibt außerdem die Möglichkeiten drei und vier: entweder die Exfrau oder die Haushälterin beziehungsweise ihr Sohn. Aus finanziellen Gründen – eben wegen dieses Testaments.«
»Das mit Frau Gremmelsbacher kann ich mir wirklich nicht vorstellen«, sagte Hummel erneut. »Die hat doch über Jahrzehnte ihrem Chef treu gedient.«
»Stimmt, aber nachdem ihr mir das mit der Elzacher Botschaft und dem tanzenden Schuttig erzählt habt, halte ich
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