Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
Tourist aus dem Rheinland, der Hummel offenbar für einen Fremdenführer hielt. Das allerdings hatte nicht in dem Buch gestanden. Hummel murmelte etwas Undeutliches und zog Klaus weiter in Richtung Bahnhofsplatz.
Wenige Augenblicke später ertönte der Elzacher Narrenmarsch. Die Schuttige, schon von Weitem zu erkennen an den auf und ab springenden Fackeln, ergossen sich wie ein reißender Fluss über die Hauptstraße. Sie sprangen, drehten immer wieder Kreise und tanzten zu den Klängen des Narrenmarsches, der in einem fort von verschiedenen Musikkapellen gespielt wurde.
Dann und wann stürzten ein paar Schuttige auf Umzugsbesucher zu. In der einen Hand hielten sie ihre Fackeln, in der anderen die Saublodere. Hubertus staunte über die geschickte Schlagtechnik. Es war schon ein beeindruckendes Bild: der historische Ortskern des Städtchens, der immer wiederkehrende Narrenmarsch, die zahllosen Schuttige mit ihrem feuerroten Zottelgewand, die Fackeln und …
Ein dumpfes Geräusch ertönte. Und noch eines. Die Schweinsblase reichte bis in Reihe drei – genauer gesagt: bis auf Hummels Kopf. Klaus musste grinsen.
»Die Elzacher Fasnet ist durchaus derb«, kommentierte Hubertus die Hiebe.
»Das hast du für deine Wichtigtuerei auch verdient«, meinte Klaus. »Siehst du, ob an diesen Schuttighüten irgendwo Schneckenhäuschen fehlen?«
Doch Hubertus lief stattdessen zu einem nahe gelegenen Verkaufsstand, wo er sich mit zwei Würsten für die Hiebe entschädigte. Klaus gab er ein »Schuttigbier« aus.
»So«, sagte dieser, nachdem er das Bier in einem Zug geleert hatte. »An die Arbeit. Jetzt lass uns mal systematisch vorgehen.«
Hubertus musterte den nicht enden wollenden Umzugsstrom und warf seinem Freund einen skeptischen Blick zu. »Ich glaube, es sind diesmal über eintausendzweihundert Schuttige. Wie sollen wir da bitte den Gremmelsbacher ausfindig machen?«
»Du hast doch vorhin gesagt, dass sich die Schuttige unten am Bahnhofsplatz sammeln, bevor es wieder die Hauptstraße hochgeht?«
Hummel nickte mit unsicherem Blick.
»Da haben wir sie doch alle beisammen und werden uns einfach den mit den fehlenden Schneckenhäuschen schnappen.« Klaus setzte eine entschlossene Miene auf.
Nachdem sie den Schießgraben hinter sich gelassen hatten, bot sich ihnen ein freier Blick auf den Bahnhofsplatz und die wild tanzende Schuttigschar. Das Licht der Fackeln ließ die finsteren Masken noch bedrohlicher erscheinen. Hubertus hatte ein mulmiges Gefühl, folgte aber dennoch Klaus, der von den Schuttigen nicht mehr so beeindruckt zu sein schien.
Neben den roten Schuttigen entdeckten sie auf dem Bahnhofsplatz etwa zwei Dutzend Polizisten, die offenbar für Ordnung sorgen sollten.
»Gleich so viele. Elzach scheint ja ein heißes Pflaster zu sein«, bemerkte Klaus und stürzte sich ins Gewühl. »Du nimmst dir den oberen Teil des Platzes vor, dann nehme ich den unteren«, befahl er.
Die Recherche war ihm wirklich eine willkommene Ablenkung. Den Namen Kerstin hatte er schon mindestens eine halbe Stunde nicht mehr fallen lassen, wie Hubertus auffiel.
»Und was ist, wenn einer von uns den gesuchten Schuttig findet?«, fragte Hubertus unsicher.
Klaus zog sein Handy heraus. »Empfang haben wir. Dann rufen wir uns an«, schlug er vor.
»Und wenn ihn keiner findet?«
»Dann gehen wir zu Gremmelsbachers Wohnung.«
16. IN DER ELZ
Hubertus bezweifelte, dass sie sich in dem Gewühl jemals wiederfinden würden. Aber er nahm all seinen Mut zusammen und kämpfte sich allein durch die rote Masse, wobei er immer wieder schmerzhafte Bekanntschaft mit der Saubloder machte.
Bei Klaus war der Schmerz noch schlimmer, aber er hielt sich tapfer. Die ersten hundert von ihm inspizierten Dreispitzhüte schienen intakt zu sein: keine Löcher, keine fehlenden Schneckenhäuschen. Da die Schuttige nicht ruhig und geduldig stehen blieben, konnte es allerdings auch sein, dass er nur zehn Schuttige untersucht hatte – und die jeweils zehn Mal. Doch dann fiel ihm ein Schuttig mit roter Teufelsmaske auf. Zwischen den riesigen Bollen auf seinem Hut prangte eine kahle Stelle.
»Aha!« Klaus leuchtete mit seiner Taschenlampe auf die geriffelte Oberfläche und folgte dem Schuttig, der im Gegensatz zu den anderen nicht mit einer Saubloder, sondern mit einem Reisigbesen ausgerüstet war. Mit dem würde er es wohl gleich zu tun bekommen.
»Hallo Sie, Herr Teufelsschuttig«, rief er dem Maskierten hinterher.
Brummen und raues Gelächter um ihn herum.
Weitere Kostenlose Bücher