Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
die »Trieber« zu begleichen.
Hubertus hielt weiter nach dem Narro mit dem Foulard Ausschau.
Rechts und links entdeckte er je einen Narro, konnte jedoch nicht die Farbe und das Muster der Foulards erkennen.
Die Chancen standen also fünfzig zu fünfzig.
Hubertus entschied sich für den stattlicheren, der gerade den Münsterplatz in Richtung Kronengasse überquerte.
Klaus folgte ihm.
Doch wie sollte man in voller Narromontur eine Verfolgungsjagd aufnehmen? Ein Spurt war wohl kaum möglich, ein rennender Narro ohnehin nicht standesgemäß. Hubertus spürte sein verschwitztes Unterhemd auf dem Rücken kleben. Für einen Moment fröstelte es ihn in der eisigen Luft. Dann legte er aber richtig los und stellte eine neue Rekordzeit im Narrosprung-Sprint auf. Und das, obwohl er sich sehr bemühte, Eleganz und Haltung zu wahren.
Am Ende der Kronengasse hatte er den Narro eingeholt.
Hubertus hielt ihn an der Schulter fest. Der Narro drehte sich um und schien Hummel für einen Moment anzustarren.
An der Nasenspitze seiner Scheme hatten sich kleine Kondenstropfen gebildet. Hubertus schnaufte, seine Halsschlagader pochte gegen das Lindenholz der Scheme.
Er senkte den Kopf und richtete die Augenschlitze auf das Foulard. Es war grün! Und die Verästelungen? Rot.
Ein zweiter Blick: Immer noch rot! Rot – nicht schwarz!
Vor dem Stadttor hatte auch Klaus seinen Freund wieder eingeholt. Zum Glück hatte er sich dessen blau-weißes Foulard gut eingeprägt. Sonst hätte er ihn unter den Hunderten von Narros, die sich in einer riesigen Traube vor dem Oberen Tor sammelten, nicht wiedererkannt.
Nur noch wenige Minuten bis zum Maschgerelauf.
»Wie sollen wir vorgehen?«, fragte Klaus. Doch erst, nachdem er diesen Satz vier Mal wiederholt hatte, verstand ihn Hubertus. Eine Konversation durch zwei Schichten Lindenholz hatte ihre Tücken.
»Wir stellen uns in entgegengesetzter Richtung vor dem Torbogen auf. Du links und ich rechts. Sobald du den Narro mit dem grünen Foulard und den schwarzen Verästelungen siehst, schnappst du ihn am Arm und juchzt drei Mal, so laut du kannst. Dann komme ich.«
»Und was machen wir dann?«, schrie Klaus seinen Freund an.
»Einer schnappt ihn links am Arm, einer rechts. Wir tun so, als gehörten wir alle drei zusammen. Dann setzen wir uns auf eine Parkbank in den Ringanlagen, schauen, ob wir auch nicht beobachtet werden, und ziehen ihm die Scheme herunter.«
»Okay, einverstanden!«
Nach schätzungsweise dreihundert Narros bekam Klaus die ersten Sehstörungen. Er stierte wie gebannt auf die Foulards der vorbeiziehenden Hästräger, doch in dem Meer von Farben und Formen konnte er das gesuchte Tuch einfach nicht entdecken.
Hubertus hatte mehr Glück. Schon bald hatte er den Narro mit dem grünen Foulard und den schwarzen Verästelungen entdeckt und am Arm gepackt. Klaus reagierte geistesgegenwärtig und folgte.
Der verschleppte Narro protestierte. »Was soll das denn?«, rief er, als sie ihn auf die Bank zerrten und ihm die Scheme abnahmen. Klaus hielt ihm die Arme fest, Hubertus zog am Lederbändel.
Als Hubertus Hummel die Scheme anhob, sah er gespannt auf das verschwitzte Gesicht darunter. Die strengen Züge und den eindringlichen Blick kannte er.
»Herr Dekan? Sie im Narrohäs?« Hubertus war ehrlich betroffen.
22. HEIMKINO
»Jetzt zier dich doch nicht so«, ermahnte Elke.
Klaus stöhnte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Dass Elke ihm die geschundenen Schultern mit einer Wundsalbe einrieb, fand er ja in Ordnung. Dass sie dabei auch noch die Shiatsu-Massage anwendete, war für Riesle zu viel des Guten.
»Bitte nicht so fest«, jammerte er.
»Das ist die sanfteste Massage, die es gibt, Klaus«, antwortete Elke.
Die Lederriemen der schweren Rollen hatten auf der Haut über seinem Schlüsselbein rote Höcker hinterlassen. Und die schmerzten bei jeder Berührung.
Elke schien die Massage mehr Befriedigung zu bereiten. »Man merkt sofort, dass du nicht im Einklang mit dir selbst bist, Klaus. Die Haut ist schließlich ein Spiegel der Seele«, sagte sie.
Hubertus, der noch immer sein handbemaltes Häs trug, hatte sich in den Ledersessel am Kamin fallen lassen, wo er ein Glas Weißweinschorle trank. Nur Martina lag unbeeindruckt auf dem Sofa und trug ihre schlechte Laune und ihren ausgeprägten Bauch zur Schau. Sie stierte auf den Fernseher, der gerade den Frohsinn der rheinischen Karnevalisten versprühte. Doch auch dafür war sie eigentlich nicht in Stimmung.
Hubertus warf ihr immer
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