Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
wieder besorgte Blicke zu.
Auch wenn das Fernsehprogramm nervte, Martina versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Und sei es nur, um alles um sie herum zu ignorieren.
Zwischendurch wandte sie kurz den Blick von der Mattscheibe ab und nahm ihren Bauch ins Visier. Auf mindestens vier Kilo schätzte die Hebamme das Baby. Ganz der Großvater … Wie sollte sie bloß diese Geburt überstehen?
Würde sie etwa auch stundenlang pressen müssen wie ihre Mutter? Die hatte ihr Horrorgeschichten von ihrer eigenen Entbindung erzählt und ihr noch mal die Wassergeburt nahegelegt. Aber Martina hatte nur den Kopf geschüttelt.
So oder so würde sie unbändige Schmerzen erleiden müssen. Am besten sollten sie das Kind gleich per Kaiserschnitt holen. Das machten die Promis doch auch so. Allerdings würde sie das heimlich veranlassen müssen, denn ihre Eltern waren garantiert strikt dagegen.
»Am besten gehst du morgen gleich wieder ins Häs, Klaus. Das ist das beste Mittel gegen den Schmerz«, riet Hubertus.
»Nix da. Morgen werde ich bei Kerstin vorbeischauen und mir diesen Schwenninger Hansel vorknöpfen. Den Villinger Narrosäbel leihe ich mir noch einen Tag aus, damit ich ihm eins überbraten kann«, kündigte Klaus an.
»Mach keine Dummheiten«, ermahnte Hubertus ihn. »Dafür kriegst du mindestens zehn Jahre wegen Totschlags.«
Er legte noch etwas Holz nach. Das Kaminfeuer flackerte kurz auf, und seine Wangen bekamen einen roten Schimmer. Er goss sich noch etwas badischen Spätburgunder nach.
»Das mit dem Dekan war ja ein echter Reinfall«, sagte Klaus und ächzte kurz auf. Elke steigerte noch mal die Intensität der Massage.
»Vor allem, dass du ihn nach einem Alibi gefragt hast. Jetzt kann ich mich mindestens bis zum nächsten Weihnachtsgottesdienst nicht mehr in meinem Münster blicken lassen. Einfach peinlich«, jammerte Hubertus.
»In deinem Münster?« Elke grinste. »Du warst doch seit Weihnachten ohnehin nicht mehr dort.«
»Pah, von wegen! Seit Weihnachten zünde ich mindestens jede Woche eine Kerze für meinen Enkel in der Seitenkapelle vor dem Nägelinskreuz an.«
Hubertus suchte sehnsüchtig den Blick seiner Tochter, die weiter ungerührt auf die Mattscheibe starrte.
»Schatz«, sagte ihre Mutter, »Fernsehen ist gar nicht gut für dein Kind.«
Martina nahm das Handy und wählte die Nummer von Didi, doch am anderen Ende war nur die Ansage zu hören, dass ihr Gesprächspartner momentan nicht erreichbar sei. Ihr Freund tobte sich immer noch bei der Fasnacht aus. Das konnte dauern … Nervös drückte sie an den Knöpfen der Fernbedienung herum.
Der Ledersessel knarrte. Hubertus versuchte aufzustehen, was etwas ungelenk aussah. Seine Knie fühlten sich taub an, die Beinmuskeln brannten noch immer vom Narrosprung. Er griff nach der DVD, die auf dem Kaminsims stand. Es war ein Mitschnitt des diesjährigen Zunftballs, den Didi gedreht haben musste. Zumindest stammte die Beschriftung eindeutig von seiner Sauklaue.
Martina hatte mittlerweile das Programm gewechselt, doch auch die Mundartvorträge aus dem Konstanzer Konzil konnten sie nicht wirklich begeistern. Hubertus legte die DVD ein.
»He!«, machte Martina. »Was soll das denn?«
»Das wird dich aufmuntern. Die Villinger ist ohnehin die einzig wahre Fasnet.«
»Danke, Papi, aber da war ich doch live dabei. Das Programm war ja vor meiner Ohnmacht.«
Hubertus setzte ein stolzes Lächeln auf und betrachtete die Aufnahmen. Die weiteren Proteste seiner Tochter ignorierte er. Gerade zoomte die Kamera durch die Reihen des Saals.
»Moment mal!«, murmelte er dann in Richtung DVD-Recorder und betätigte den Rücklauf. Dann drückte er wieder auf Start, erneut auf Rücklauf, wieder auf Start.
»Jetzt geht mir ein Licht auf!«, murmelte Hubertus.
23. KOLLEGENKNATSCH
Hauptkommissar Stefan Müller starrte ungläubig auf seine alte Taschenuhr. Es war zwanzig vor zehn, und er war immer noch nicht im Büro. Gehetzt nahm er die letzten Stufen im Treppenhaus seiner Dienststelle. Nur noch wenige Meter, dann wäre er endlich an seinem Arbeitsplatz. Hoffentlich hatte sein Chef noch keine Notiz davon genommen, dass er Verspätung hatte. In neunundzwanzig Dienstjahren war ihm das kein einziges Mal passiert. Verschlafen! Und das ihm, dem Uhren- und Pünktlichkeitsfanatiker, der die Kollegen schon anschnauzte, wenn sie nur wenige Sekunden zu spät zum Dienst erschienen.
Müller drückte sich kurz an die Wand und spähte mit einem Auge um die Ecke. Die Luft auf dem
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