Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
Kommissar Müller verabredet war, hatte er Hubertus und Klaus vorsichtshalber nicht erzählt. Es war nicht einmal eine Lüge, eher eine Unterlassung. Und was sprach denn dagegen, dem Kommissar ein paar Zusammenhänge der Fasnet zu erklären, nachdem Narrenfreund Bäuerle so überhaupt keine Zeit hatte? Außerdem würde er Klaus und Hubertus mit den Informationen versorgen, die er von Müller bekam.
»Sind Sie mit diesen geheimnisvollen Sprüchen weitergekommen?«, fragte der Kommissar.
»Leider nein«, musste Zahl eingestehen. »Mir ist nur vorhin noch eine Möglichkeit eingefallen: Es könnte sich um Jahreszahlen handeln. Bei der einen Nachricht hieß es: ›68 Schwenningen.‹ Bei der zweiten: ›68 Rottweil.‹ Und bei der dritten, der mit dem Schuttig, war von ›69‹ die Rede.«
»68, 69 – das liegt aber schon lange zurück …«
»Stimmt«, bestätigte Zahl. »Möglicherweise jemand, der Berger schon lange kennt.«
»Also die Exfrau, die gleich hier vorbeikommt«, meinte der Kommissar.
»Ja. Oder die Haushälterin – die ist wohl auch schon ewig bei ihm.«
»Der Sohn hat auf jeden Fall ein Alibi für die Tatzeit«, sagte Müller etwas lauter, weil die Begleitgeräusche im Lokal anschwollen. Der Umzug war zwar noch nicht ganz zu Ende, dennoch drängten immer mehr Rottweiler und Touristen in die Weinstube. Müller musste sich eingestehen, dass seine aus Bequemlichkeit erfolgte Entscheidung, sich zu dieser Uhrzeit, an diesem Tag und an diesem Ort zu treffen, nicht optimal gewesen war. Andererseits konnte er sicher sein, nicht von einem seiner Kollegen belauscht zu werden.
»Vielleicht stimmen ja die Angaben dieser Haushälterin nicht«, meinte Müller. »Vielleicht hat sie Berger ja schon viel früher gesehen – und der Sohn hat ihn früher umgebracht.«
Graf Zahl dachte nach. »Ich möchte ja niemanden einfach so verdächtigen, aber überprüfen sollten Sie das sicher mal. Vielleicht war es ja keine böse Absicht, sondern ein Irrtum.«
Müller machte sich Notizen und wandte sich dann wieder an sein Gegenüber: »Sehen Sie noch irgendeinen anderen fasnachtlichen Hintergrund, der hinter dem Mord stehen könnte?«
Zahl schüttelte den Kopf: »Ich denke, dass jemand mit diesen Zahlen andere Zünfte verdächtig machen wollte. Ich glaube wirklich, dass die Zahlen Jahreszahlen sind.« Er hielt inne. »Wer erbt nun eigentlich Bergers Vermögen?«
Müller wiegte den Kopf hin und her. Sollte er Moser überhaupt davon erzählen? Eigentlich handelte es sich um ein kolossales Versäumnis von ihm, dass er sich nicht früher und energischer darum gekümmert hatte. »Das ist noch nicht ganz sicher«, sagte er vage.
»In der Villinger Zunft erzählt man sich nämlich, es gebe irgendwo ein Testament, wonach das Geld für die Haushälterin bestimmt sei.«
»Fragen Sie da doch noch mal nach«, bat ihn Müller.
»Darf ich bei dem Verhör mit Frau Berger dabeibleiben?«, erkundigte sich Graf Zahl. »Immerhin habe ich jetzt nur wegen unseres Gesprächs den Montagmorgen in Villingen verpasst.«
Müller zögerte. Eigentlich war ihm das nicht recht, andererseits war er für die Begleitung durch Moser dankbar – so ganz allein unter den Narren. »Gut, aber nur, wenn Sie sich völlig ruhig verhalten«, meinte er dann.
Zahl nickte erfreut. Hubertus und Klaus würden zufrieden sein.
Bergers Gattin war grauhaarig und schmal, was einen seltsamen Kontrast zu den bunten Narren darstellte. Außerdem war sie ziemlich sauer. »Herr Kommissar, wir hätten uns gerne in den vergangenen Tagen treffen können. Aber hier – und jetzt?«
Müller ging gar nicht darauf ein. Er legte auch keinen Wert darauf, dass ihm sein Fehler nun auch noch von fremden Leuten unter die Nase gerieben wurde. Stattdessen kam er gleich zur Sache: »Frau Berger – es haben sich neue Verdachtsmomente ergeben. Verdachtsmomente gegen Sie, um genau zu sein …«
Graf Zahl verschluckte sich fast an seiner Weißweinschorle.
Frau Berger wurde blass. Sie setzte sich. »Gegen mich?«, sagte sie fassungslos.
Der Lärmpegel in der Weinstube nahm weiter zu. Und zwar massiv. Müller reichte es: Kurzerhand nahm er einen Fünf-Euro-Schein aus seinem Geldbeutel, bedeutete Moser und Frau Berger, ihm zu folgen, drückte das Geld für die zwei Weinschorlen einer Bedienung in die Hand und verließ rasch das Lokal.
Draußen sagte er nur: »Wir gehen in den Goldenen Apfel – vielleicht ist es da ruhiger.« Ruhiger war es da aber auch nicht, und dort gab es
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