Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
Narrozunft, also die Ratsherren, kontrollieren am Montagmorgen während des Umzugs in der Bärengasse, ob die Hästräger auch alle ordentlich angezogen sind. Hat jeder Narro die strenge Anzugsordnung beachtet? Sitzt die Masch? Hat eines der Morbili Moonboots an? Und so weiter.«
»Ja, und?«, fragte Klaus.
»Wir gehen jetzt gleich zum Maschgerelauf. Und diesmal sind wir der Narro-TÜV. Wir müssen nur auf die Foulards achten und finden so den Mörder.« Hubertus setzte eine bedeutsame Miene auf, Klaus eine fragende.
»Maschgerelauf? Hab ich schon mal gehört, aber was war das gleich noch mal?«
Hubertus runzelte die Stirn und zog Klaus zu sich heran, sodass niemand hörte, wie unbedarft dieser war.
»Der Brauch wurde erst vor vierzig Jahren eingeführt. Die Musikkapellen stellen sich am Rand des Umzugs auf, und die Narros, also Maschgere, laufen oder springen dazu«, dozierte Hubertus. »Also eine Art Schaulaufen. Und du springst mit.«
»Aha«, machte Klaus. So ganz geheuer schien ihm die Sache nicht zu sein.
»Übrigens solltest du nicht zu weit zurückfallen, sonst bekommst du noch einen Tannenzapfen ab. Denn ganz am Schluss kommen die Wuescht. Und die dürfen damit beworfen werden.«
»Gefährlich wird’s also auch noch«, stöhnte Klaus.
»Das ist noch gar nichts, früher wurden die Wuescht sogar mit Steinen beworfen.«
Durch das offene Erkerfenster drang laute Musik ins Narrostüble. Klaus stand auf und streckte die Nase in die eisige Luft. Unter dem Fenster flatterte neben einer Narrofahne eine mit rotem Adler auf blauweißem Untergrund. An Fasnet war der Villinger Lokalpatriotismus auf seinem absoluten Höhepunkt angelangt.
Die Katzenmusik hielt gerade ihren Generalappell ab – die »Konkurrenz«, wie Hubertus immer sagte.
»Miauuuu!« Der Fasnetgruß der Katzen machte auch vor dem Narrostüble nicht halt.
Klaus wandte sich wieder Hubertus zu, der gerade von einem großen Narro gestrählt wurde. Im Narrostüble gab es endlich die Gelegenheit, denjenigen die Leviten zu lesen, die auf der Straße maskiert gewesen waren.
Hubertus ließ die Prozedur einigermaßen unbeteiligt über sich ergehen, lachte aber hie und da ein wenig angestrengt. Als Klaus sich wieder zu ihm setzte, machte der Narro kehrt und stolzierte zum Ausgang.
»Was hat er denn gesagt?«, fragte Klaus und blickte dem Narro nach.
»Nichts Besonderes. Er wollte nur wissen, ob die beiden Superdetektive schon den Fall Berger gelöst haben. Er meinte, wir könnten doch hier nicht einfach seelenruhig rumsitzen und Weinschorle trinken …«
»Moment mal!«, rief Klaus.
Hubertus schaute ihn verwundert an.
»Das Foulard! Schau dir mal das Foulard an!« Klaus deutete mit dem Kopf in Richtung Ausgang. Dort stand immer noch der Narro, der Hubertus gerade gestrählt hatte.
Hubertus war plötzlich stocknüchtern. »Wieso ist mir das nicht gleich aufgefallen? Los! Sofort hinterher!« Der Narro drehte sich noch mal ganz kurz zu ihnen um. Hubertus verglich das Muster auf dem zerknüllten Zettel und das Foulard. Der Abgleich passte.
»He du, warte mal«, schrie er dem Narro hinterher.
Die Hästräger, die gerade die letzte Strophe des Villinger Schunkellieds beendet hatten, waren über diese Anrede irritiert.
»Des hoaßt Maschgere«, belehrte ein Alt-Narro mit schwarzem Umhang.
Der verdächtige Narro mit dem grünen Foulard war ohnehin bereits durch die Tür verschwunden und hatte offenbar die hektischen Rufe in dem Trubel nicht mitbekommen.
Klaus und Hubertus rannten zum Ausgang. Riesle wollte schon davonstürmen, aber Hummel hielt ihn zurück. »Moment, du musst dich erst anziehen«, befahl er.
»Da läuft gerade unser Mörder davon«, widersprach Klaus.
»Ich weiß, aber die Villinger Fasnet hat ihre Ordnung. Du darfst als Narro nicht unmaskiert auf die Straße.«
Klaus schüttelte verwundert den Kopf. Fasnet ging also vor Mord …
So schnell hatte sich Hubertus allerdings noch nie angekleidet. Und vor allem war er die schmalen Stufen vom Narrenstüble zum Münsterplatz noch nie so schnell hinuntergepoltert. Als er vor dem Kirchenschiff des Münsters stand, sah er vor sich eine Gruppe »Butzeseltrieber«, die sich mit Streicheleinheiten und Peitschenknallen eifrig bemühte, ihren Esel wieder in Gang zu bringen. Dieser hatte es sich auf seinem großen Fichtenast gemütlich gemacht. Der Kerl mit dem Eselskopf hatte über seine Ohren dicke Wurstringe gestülpt, die er bei den Metzgern der Stadt erbeutet hatte. Die Zeche hatten
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