Narrenturm - Roman
Bonaventura und der Institor daran, tiefer in diese Thematik einzudringen. Dies ging so lange, bis sich – zur allgemeinen Verwunderung – noch eine Person unvermittelt in die Diskussion einmischte. Nämlich der Kamaldulenser.
»Weihwasser«, die Mitgefangenen vernahmen zum ersten Mal die Stimme des jungen Geistlichen, »Weihwasser würde euch nichts nützen. Wenn der Teufel tatsächlich seine Hand im Spiel gehabt hat. Weihwasser wirkt gegen den Teufel nicht. Das weiß ich wohl. Weil ich es gesehen habe. Deswegen sitze ich ja hier.«
Sobald das aufgeregte Stimmengewirr verstummt und lastende Stille im Raum lag, erklärte der Kamaldulenser, was er damit meinte.
»Ich bin, müsst ihr wissen, Diakon an der Kirche Mariä Himmelfahrt in Falkenberg, Sekretär von Hochwürden Peter Nikisch, dem Dekan. Wovon ich euch berichten will, hat sich in diesem Jahr zugetragen, im Monat August,
feriae secundae post festum Laurentii martyris.
Gegen Mittag stürzte der hochmögende Herr Fabian Pfefferkorn, ein
mercator
und entfernterVerwandter des Dekans, in die Kirche. Äußerst aufgebracht forderte er, dass ihm Hochwürden Nikisch sogleich die Beichte abnähme. Wie das war, steht mir nicht zu zu sagen, denn es geht um eine Beichte, aber auch um einen Toten, immerhin, und
de mortuis aut bene aut nihil.
Ich verrat euch nur so viel, dass plötzlich die beiden im Confessional begannen, einander anzuschreien. Ja, es ging sogar so weit, dass sie Schimpfwörter benutzten, welche, ist nicht so wichtig. Am Ende verweigerte der Hochwürden Herrn Pfefferkorn die Absolution, und Herr Pfefferkorn ging, Hochwürden mit sehr hässlichen Ausdrücken belegend und gegen den Glauben und die römische Kirche wetternd. Als er in der Vorhalle an mir vorübereilte, rief er: ›Soll euch Pfaffen doch der Teufel holen!‹ Da hab ich so bei mir gedacht, o Herr Pfefferkorn, wenn du das bloß nicht zur Unzeit gesagt hast. Und dann ist der Teufel erschienen.«
»In der Kirche?«
»In der Vorhalle, direkt am Eingang. Irgendwo von oben ist er heruntergestürzt. Eher geflogen, in Gestalt eines Vogels. Ich sag’ die Wahrheit! Aber dann hat er sofort Menschengestalt angenommen. Er hat ein blitzendes Schwert hervorgezogen, genauso wie auf Bildern. Und mit dem Schwert hat er Herrn Pfefferkorn mitten ins Gesicht gehauen. Mitten ins Gesicht. Das Blut ist auf den Boden gespritzt . . .«
»Herr Pfefferkorn«, der Diakon schluckte laut, »hat mit den Händen um sich geschlagen, einer Puppe gleich. Aber mir hat der heilige Michael, mein Patron, da ein
auxilium
und Mut eingegeben, weil ich zum Weihwasserbecken gerannt bin, das geweihte Wasser mit beiden Händen geschöpft und den Teufel damit begossen habe. Und was denkt ihr, was geschehen ist? Nichts! Das Wasser ist an ihm abgeflossen, wie bei einer Gans. Der Höllenfürst hat mit den Augen gezwinkert und ausgespuckt, was ihm ins Maul geraten ist. Und er hat mich angesehen. Und ich . . . Ich schäme mich, es zu sagen, ich bin vor Angst ohnmächtig geworden. Als mich die Brüder wiederaufgeweckt haben, war alles schon vorbei. Der Teufel war verschwunden, und Herr Pfefferkorn lag tot da. Ohne Seele, die der Böse flugs in die Hölle getragen hatte.«
»Aber auch mich hat der Teufel nicht vergessen und Rache geübt. An das, was ich gesehen hatte, wollte niemand glauben. Sie sagten, ich sei verrückt, mir sei der Verstand durcheinander geraten. Und diejenigen, denen ich vom Weihwasser erzählt hatte, befahlen mir zu schweigen und drohten mit Strafen, die man für Ketzerei und Gotteslästerung erhält. Mittlerweile hatte sich die Sache herumgesprochen, in Breslau hat man sich sogar am Hof des Bischofs damit befasst. Und dann ist eben aus Breslau der Befehl gekommen, man solle mich zum Schweigen bringen und als Irren wegschließen. Aber ich wusste, was
in pace
bei den Dominikanern bedeutet. Sollte ich mich lebendig begraben lassen? Ich bin aus Falkenberg geflohen, so wie ich war. Aber bei Heinrichau haben sie mich aufgegriffen. Und hierher gebracht.«
»Hast du dir den Teufel gut ansehen können?«, fragte Urban Horn, mitten in die Stille hinein. »Kannst du beschreiben, wie er ausgesehen hat?«
»Er war hoch gewachsen«, der Kamaldulenser schluckte wieder, »schlank . . . Die Haare schwarz, lang, bis zu den Schultern. Die Nase wie ein Vogelschnabel und die Augen wie bei einem Vogel . . . Sehr durchdringend blickend. Ein böses Lachen. Teuflisch.«
»Keine Hörner?«, rief Bonaventura, sichtlich enttäuscht.
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