Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
Vom Netzwerk:
näheren Untersuchung wohl kaum standhalten würden – so hätte es zumindest sein Bruder und Anwalt formuliert. Anders gesagt, es war nicht ganz von der Hand zu weisen, dass er, Daniel Käfer, im freien Markt der Emotionen und Leidenschaften nur deshalb kein Ladenhüter war, weil es Frauen gab, die es einfach nicht übers Herz brachten, ihn links liegen zu lassen.
    Meuchlings überkam Käfer der Wunsch, etwas für Sabine zu tun, etwas, das er noch nie für sie getan hatte. Davon gab es eine ganze Menge, wie er bei näherer Betrachtung feststellen musste. Aber er musste ja auch nicht gleich übertreiben. Erstaunlich! Käfer blieb stehen, so sehr hatte ihn die Erkenntnis überrascht, dass er Sabine noch nie einen Brief geschrieben hatte, erst recht keinen Liebesbrief. Er, für den das geschriebene Wort so viel bedeutete. Na, vielleicht auch gerade deshalb.
    In Aussee angekommen, ging Käfer mit feierlicher Umständlichkeit ans Werk. Lange suchte er nach geeignetem Briefpapier, so auf halbem Wege zwischen betörendem Kitsch und gediegener Zurückhaltung, wie es dem unbedachten Jüngling und dem reifen Manne gleichermaßen zustand. Dann nahm Käfer die Gelegenheit wahr, sein edles Vorhaben mit einem Geschenk an sich selbst zu verbinden: Er kaufte sich einen sündhaft schönen und obszön teuren Füllfederhalter, dazu schwarze Tinte. Käfer trug seine Beute ins Kurhauscafé Lewandofsky, suchte nach einer verschwiegenen Ecke, bestellte ein Glas Rotwein, nippte, grübelte, blickte verhangenen Auges ins Weite, schrieb endlich, zerknüllte den Papierbogen und begann aufs Neue. Irgendwann war das Werk dann doch vollbracht. Käfer schrieb noch Sabines Münchner Adresse auf das Kuvert und machte sich auf den Weg zum Postamt.
    Dort angekommen, wurde er wieder unschlüssig. Sabine war viel unterwegs. Durchaus möglich, dass sie dieses bedeutsame Schreiben nicht mehr vor ihrer Reise ins Ausseerland erreichte. Vielleicht war es besser, ihr den Brief persönlich zu überreichen – oder es auch bleiben zu lassen.
    Es fing an, dunkel zu werden, als Käfer am Ziel seiner kontemplativen Winterwanderung anlangte. Maria Schlömmer war nicht in ihrer Küche, aber von oben, von Käfers Zimmer her, kam Licht. Er ging die Treppe hinauf und sah Sabine, die halb schlafend auf dem Bett lag. Sie richtete sich auf und blieb ein wenig benommen auf der Bettkante sitzen. „Daniel! Wo hast du dich herumgetrieben? Seit Stunden warte ich hier auf dich. Und was ist mit deinem Kopf los … das Pflaster … ein Unfall?“
    Er nahm neben ihr Platz. „Ich habe die Ente zertrümmert, mit meinem Lebensretter zu Mittag gegessen und den Rest des Tages damit zugebracht, dir einen Brief zu schreiben.“
    „Mein Lieber!“ Sie strich über das Pflaster an seiner Schläfe. „Hat es ihn arg erwischt, den Kopf?“
    „Du meinst, so arg, dass ich anfange, dir Briefe zu schreiben?“
    „Ja, merkwürdig ist es schon. Hast du ihn zur Post gegeben?“
    „Nein.“
    „Dann gib her.“
    „Nie im Leben.“
    „Oder lies vor.“
    „Du meinst jetzt gleich?“
    „Ja.“
    „Hm.“ Er zog das Kuvert hervor. „Bütten, Sabine.“
    „Öffnen, Daniel.“
    Käfer nahm den Papierbogen heraus, faltete ihn auseinander und zögerte.
    „Wirst du wohl, du Feigling?“
    „Also gut, hier steht, offenbar in meiner Handschrift:
    Bad Aussee, 23. Februar 2006
.
    Sabine, Liebes
,
    ich habe Dir nicht viel zu geben: Einen Schrei vielleicht, der ein Flüstern bleibt, einen Tag, der ein wenig der Nacht gehört, mich
.
    Vergiss nicht die hellen Teufel in Deinen Augen und nicht das Gras und das kleine Stück Ewigkeit
.
    Danke, Du
.
    Daniel
.“

6
    Maria Schlömmer setzte sich zu ihren Gästen an den Frühstückstisch. „Aufstehn um zehn und dann immer noch müd dreinschauen, das hab ich gern.“
    Sabine ließ versonnen einen dünnen Strahl Honig auf ihr Butterbrot fließen. „Daniel hat mir einen Brief geschrieben, Maria.“
    „Redet er nichts mehr mit dir?“
    „Doch, das auch. Aber dieser Brief …, lass es mich so sagen: Die Korrespondenz hat sich dann ziemlich in die Länge gezogen.“
    „So, so. Und wo ist die Ente?“
    Käfer grinste. „Ich hab versucht, mit ihr in die Traun zu fallen. Aber der Sepp Köberl hat uns aufgefangen.“
    „Unser Heimatforscher?“
    „Ja, der. Was macht er eigentlich hauptberuflich?“
    „Lehrer ist er an der Hauptschule. Wundert mich, dass er zuhaus war. Sind ja keine Ferien. Das Auto ist hin?“
    „So gut wie, wir werden sehen. Ein nettes

Weitere Kostenlose Bücher