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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Nachtisch vernascht zu werden.
     
    2 . Männer denken über die Relativitätstheorie und andere naturwissenschaftliche Problemstellungen nach. Es ist eigentlich relativ egal, was das Weibchen dazu sagt, Hauptsache, es sieht dabei hübsch aus und nickt immer wieder mal zustimmend. Dann ist als Abschluss zumindest die Missionarsstellung möglich.
     
    3 . Männer lassen das letzte Match ihres Lieblingsfußballvereins Revue passieren. In dem Fall ist es sinnlos, auf die siebte Sekunde zu warten, weil es allein fünftausendvierhundert davon dauert, bis das Objekt der Begierde versenkt wurde. Schlimmer ist es lediglich, wenn der Mann Basketballfan ist, denn dabei geht es darum, vier mal zehn Minuten lang möglichst viele Körbe auszuteilen.
     
    4 . Männer denken gar nichts, ihre Hirne befinden sich einfach im Leerlauf, und es liegt an der geschickten Führung der Frau, ausreichend Gas zu geben, um den Boliden auf die alles entscheidende siebte Sekunde hinzusteuern.
     
    5 . Männer denken auch in den sechseinhalb Sekunden dazwischen an Sex, nur stellen sie sich dabei Monica Bellucci, Scarlett Johansson oder Orlando Bloom vor, was sie aber selbst unter Androhung von Verbannung aus dem Paradies nicht zugeben würden.
     
    Das perfekte Date besteht also aus der Herausforderung, die sechseinhalb Sekunden Gehirntätigkeit so zu beeinflussen, dass es am Ende der siebten Sekunde auch zu realem Sex kommt. Womit wir bei der Schlange wären.
    Die fortgeschrittene Datingexpertin versteht es, sich so unauffällig um ihr Opfer zu winden, dass dieses hilflos in ihrer Umarmung zappelt und sich im schwarzen Tuscheblick ihrer Augen verliert.
    Anfängern wie mir bleibt nur die Erkenntnis, die Rita so wunderbar zusammenfasst, während sie lasziv am Strohhalm ihrer Cola Light saugt:
    »Wenn du einen tollen Mann in dein Bett kriegen willst, Dotti, gibt es nur eine Möglichkeit: Wirf die Stricksocken, die Plüschtiere und den Kater raus!«
     
    (follow @dottiliest bei Twitter)

Samstag, 15 . Oktober
    Ich drücke die Klinke runter und öffne die Logentür ein kleines Stück. Sofort geht der Lärm wieder los. Das Orchester klimpert, geigt, flötet und posaunt, vom wild fuchtelnden Dirigenten dazu animiert, noch lauter zu klimpern, geigen, flöten und posaunen. Dazu schmachtet eine Frau in Männerkleidern eine Frau in Frauenkleidern an, was vermutlich ein Insidergag ist, den ich nicht verstehe, weil der angeblich deutsche Text, den sie dabei brüllen, nur aus Vokalen besteht.
    Musik an sich ist mir ein Rätsel, aber ich halte es aus, wenn sie, wie der aktuelle Radiopopbrei, uniform im Hintergrund bleibt. In Fahrstühlen, Supermärkten oder Einkaufszentren wird man damit berieselt, weshalb das menschliche Ohr einen Mechanismus entwickelt hat, der das Gedudel ausblendet, solange es nicht zu sehr von der Norm abweicht.
    Schon der Jazz mit seinen Zuckungen macht mich schrecklich nervös, und kreischende Rockgitarren klingen für mich ähnlich wie ein Presslufthammer vor dem Fenster. Doch nun weiß ich, dass sich Oper besonders schlimm anfühlt. Das ist Musik, der jede Beiläufigkeit fehlt. Die sich erzählerisch in den Vordergrund drängt. Musik, die Aufmerksamkeit will und riesige, schweißnasse Hände nach einem ausstreckt, vergleichbar einem Roman von Stephen King. Hör mich, lies mich, sonst dringe ich auf anderem Weg in dich ein und fresse dich von innen heraus auf!
    Erschrocken zucke ich zusammen. Hinter mir tönen hastige Schritte auf dem Flur, doch zum Glück ist es nur ein älterer Herr, dessen Prostata die Länge des ersten Aktes nicht verkraftet. Von den Platzanweisern ist keine Spur zu sehen. Ich nutze meine Chance, schlüpfe ungesehen in die Loge und ziehe die gepolsterte Tür vorsichtig hinter mir zu. Die Menschen auf ihren Stühlen lauschen gebannt der lautstarken Arie, die die Sopranistin in Frauenkleidern soeben produziert. Bisher hat mich niemand bemerkt. Sehr gut.
    Ich erspähe einen einzelnen, freien Stuhl in der ersten Reihe der Loge. Wenn es mir gelingt, mich dort zu plazieren, bin ich womöglich in Sicherheit. Nicht, weil ich das Bedürfnis habe, den
Rosenkavalier
von der besten Position aus zu erleben, sondern weil das die günstigste Location ist, um vom Galeriestehplatz aus höchstens mit Feldstecher entdeckt zu werden.
Falls
er dorthin zurückgegangen ist, denke ich und lausche mit angehaltenem Atem an der Logentür. Würde er näher kommen, könnte ich ihn bestimmt auf zwanzig Schritte Entfernung riechen. Der

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