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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Redaktion gerettet.
    »Wie meinst du das?«
    Ich war damit beschäftigt, mein Shirt notdürftig von Kaffeeflecken zu säubern, und stand, nur in BH und dreckigen Jeans, in der Damentoilette des
Österreichboten.
    »Na, du tappst von einem Fettnäpfchen ins nächste. Dieser Zusammenstoß war bloß die Spitze eines gigantischen Eisbergs. Du bist die Titanic, mein Schatz.«
    Das konnte sie laut sagen. Nicht nur, dass ich von oben bis unten mit Kaffee bekleckert und mit Brandwunden übersät war, Lorenz hatte mich auch noch zu einem Date eingeladen.
    Ein Date.
    Mit Lorenz Kanzler.
    Ausgerechnet zu einer Halloweenparty. Und weil ich unter Schock stand, hatte ich ja gesagt.
    »Du könntest als Pechmarie gehen«, zog Stella mich auf. »Schütt dir einfach noch ein paar Becher Kaffee drüber, dann passt das.«
    Ärgerlich rieb ich die Flecken mit mehr Seife ein. Sie mussten zumindest heller werden. Dabei rutschte mir die Seife aus der Hand und glitt auf den Fliesen durch den Spalt in die nächstgelegene Klokabine. Ich stöhnte. Stella schüttelte den Kopf.
    »Siehst du? Es hat alles damit zu tun, dass du dich nicht an den Kompass hältst. Die Anhänger weisen dir den Weg zum Glück. Es sind deine Glücksrichtungen, das hab ich dir doch erklärt. Aber du hast dich die letzten drei Jahre in gar keine Richtung bewegt. Wir haben in Griechenland ein Sprichwort dafür.«
    »Und das wäre?« Ich fischte die Seife unter der Klotür hervor und warf sie entnervt ins Waschbecken.
    »Hast du etwas zwei Jahre auf die selbe Art erledigt, betrachte es sorgfältig. Hast du es fünf Jahre getan, betrachte es misstrauisch, und hast du es gar zehn Jahre getan, dann hör damit auf, und mach es anders. Oder, wie meine Oma immer sagte
: Nur ein rollender Stein setzt keinen Schimmel an.
«
    »Deine Oma ist Mineralogin?«, rief ich. Ich föhnte mein Poloshirt unter dem Handtrockner, was es schwierig machte, Stellas Ausführungen zu folgen.
    »Philosophin und Erfinderin der drei charydischen Weisheiten:
Es gibt keine Liebe ohne Sex. Es gibt keinen Sex ohne Liebe und …
«
    »Das sind doch keine Weisheiten!«
    »… und ohne Liebe und Sex bist du tot.«
    Der Handtrockner verstummte. Ich hielt inne und sah sie an.
    »Ist das dein Ernst?«
    Sie breitete die Arme aus und schloss mich in eine weiche, duftende Stella-Umarmung ein. Als sie mich losließ, waren ihre Augen feucht, und meine brannten ein wenig, wahrscheinlich die Nachwirkungen des scharfen Wasabis aus der Sushibar. Etwas saß ganz knapp hinter meiner Zunge und wollte erzählt werden. Ich schmeckte venezianische Luft und roch das brackige Wasser der Kanäle, doch der Moment ging vorbei. Ich biss mir auf die Lippen, bis es schmerzte. Stella hielt mich auf Armlänge und betrachtete mich gründlich.
    »Dotti, der Countdown läuft. Du solltest dich auf den Weg machen. Am besten fängst du damit an, herauszufinden, wer djfleming ist und was seine Botschaften zu bedeuten haben.«
    In dieser Sekunde öffnete sich die Klotür, unter der ich meine Seife herausgefischt hatte, und Beatrice Kleidermann trat heraus, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Mein Shirt war trocken, und ich schlüpfte hastig mit glühenden Wangen hinein.
     
    Das
charydische Weltbild
beschäftigte mich am Abend zu Hause noch lange, während ich, zunehmend verzweifelt, nach der Uhr suchte. Wohin war sie verschwunden und – wichtiger – was machte mich eigentlich glücklich? Stella war mit Abstand der glücklichste Mensch, den ich kannte, also musste an der Philosophie ihrer Oma was dran sein. Der rollende Stein scheint zum Glück zu rollen.
    Nur was, zum Teufel, ist eigentlich Glück? Geliebt werden oder selbst lieben? Guter Sex oder gute Gespräche? Miteinander gehen oder miteinander kommen? Gibt es da überhaupt ein Entweder-oder? Ich bin glücklich, wenn ich meine Wohnung betrete und der Kater auf seinem Lieblingsplatz zusammengerollt schläft. Ich bin glücklich, wenn ich meine Freundinnen treffe und mit ihnen Spaß habe. Auch wenn es völlig still ist und ich ein schönes Buch lesen kann, dann möchte ich vor Glück platzen. Warum also habe ich seit einigen Tagen das Gefühl, dass etwas fehlt?
    Ich saß inmitten eines Haufens aus Couchpolstern, Hosen mit umgedrehten Taschen und leergeräumten Handtaschen auf dem Parkett und putzte nachdenklich meine Brille. Kein Zweifel, der Kompass war verschwunden, und meinem Leben fehlte seither die Prämisse. Das verfluchte Hauptthema aller Geschichten, die zentrale zielgerichtete

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