Nasenduscher: Roman (German Edition)
einzigen Kunststoffhaut gepresst wurde und nicht eine einzige Naht aufweist. Ein Wunderwerk der PVC -Welt, das jedem Hypochonder ein wohliges Gefühl der Keimfreiheit vermittelt. Und auch die surrenden Neonlichter an der Decke sind mehr als nur Tageslichtersatz. Vielmehr schätze ich, dass man bei einem Duschvorgang besser einen UV -Schutzfaktor von mindestens 25 auflegen sollte, um schmerzhafte Verbrennungen im Schulter-Nacken-Bereich zu vermeiden. Meine Blase ist nach Flug und Busfahrt mittlerweile zum Bersten gespannt, und ich lasse mich auf der steril wirkenden Klobrille nieder. Welch ein befreiendes Gefühl. Ein Orgasmus kann wie eine Silvesterrakete sein. Eine Blasenentleerung hingegen wie ein Millenniumfeuerwerk.
Sichtlich entspannt drücke ich den Abzug. Keine gute Idee. Denn ich begehe den Fehler, während des Spül- oder besser gesagt Saugvorgangs sitzen zu bleiben. Und hier stellt sich die Unterdrucktoilette als wahres Highlight des Sanitärbereichs heraus. Ich kenne geräuschintensive Fäkalienbeseitigungsanlagen bereits von Fliegern und der Deutschen Bahn, was ich jedoch hier erlebe, schlägt alle Rekorde: Was sich hier mit voller Saugkraft unter meinem primären Geschlechtsorgan abspielt, löst eine Art Blutschock aus und wird sicherlich noch unabsehbare Spätfolgen für meine Familienplanung nach sich ziehen. Selbst Romeo verdrückt sich vor Schreck über den plötzlichen Lärm sofort aus dem Bad und lässt mich allein zurück. Verräter.
Durch meine eingenommene Sitzposition und der ebenfalls für Amerika typischen zu kleinen Toilettenbrille schließe ich die Kloschüssel nahezu plan ab. Bei der laxen Betätigung der Druckspültaste spüre ich, wie mein kompletter Unterleib angesaugt wird, und ich schlagartig eine vakuumbedingte Symbiose mit der PVC-Klobrille eingehe. Mein Glied zieht sich dermaßen lang, dass die Blutgefäße der Peniswurzel schmerzhaft gezerrt werden. Mein Gemächt schaut in das dunkle, laut aufschreiende Loch, das sich unter ihm auftut. Eine Szene, die man nur noch mit Herrn Frodos aufopferndem Kampf gegen das schwarze Auge Saurons vergleichen kann. Ebenso tapfer kämpft auch mein kleiner Frodo mitsamt seinem Beutling gegen das sicher geglaubte Ende seines Daseins. Doch genau in dem Moment, als ich gerade in Gedanken meinen Frieden mit meinem weiteren Leben als Eunuch mache, geschieht es.
Stille.
Absolute Stille.
Eine Stille, wie sie sonst nur inmitten des Auges eines tropischen Wirbelsturms erlebbar ist.
Gefolgt von himmlischer Leichtigkeit.
Eine geradezu postkoitale Stille, in der die Zeit für einen kurzen Moment anzuhalten scheint.
Ich lebe.
Und was mindestens genauso wichtig ist: Er lebt! Wenn auch mit einer Todeserfahrung mehr im Gepäck. Das ist also das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem selbst ein schlichter Toilettengang schnell zur Guantanamo-Foltermethode ausufern kann. Fast verächtlich begrüßt mich ein Schild an der Tür, auf dem in vier verschiedenen Sprachen zu lesen ist: Willkommen an Bord.
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This is your captain speaking
N ach dem Abenteuer »Erlebnistoilette« würde ich nun gerne meinen Koffer auspacken und mich umziehen, wenn er denn mittlerweile seinen Weg in meine Kabine gefunden hätte. Lediglich meine Nasendusche mit dem verbliebenen Salz trage ich wie einen wertvollen Diamanten mit mir. Dazu einen Kater, der noch unter Beruhigungsmitteln steht. Keine wirklich schlagkräftige Truppe. Also widme ich mich zunächst meinem behaarten Reisepartner, der bei der Border Control seltsamerweise für keinerlei Fragen sorgte. Man wollte anscheinend nur an mein wertvolles Nasenduschensalz, dessen Vorrat sich durch die Schleimhäute der US Border Control verabschiedet hat. Lediglich ein einziger Beutel ist mir geblieben. Romeo miaut. Er scheint alles prima überstanden zu haben und sich sogar im Edelweißkostüm wohlzufühlen.
Während ich die nächste halbe Stunde weiter auf mein Gepäck warte, blättere ich in einem Infoblatt, das die täglichen Aktivitäten sowie die wichtigsten Personen an Bord vorstellt. Demnach werden wir von Kapitän Panagiotis Kardasilaris durch die Karibik gelenkt. Ihm stehen mit Chefingenieur Evangilos Pechlivandidis und Koch Konstantinos Bakas zwei weitere griechische Seebären zur Seite. Außerdem erfährt man, dass der Cruisedirektor Luke McBryan ein Engländer ist und Schiffsarzt Karl-Michael Bromsen ein Deutscher.
In der Broschüre steht weiter, dass wir in genau zwei Stunden von der Pier abstoßen, um Kurs auf
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