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Nasenduscher: Roman (German Edition)

Nasenduscher: Roman (German Edition)

Titel: Nasenduscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Gewicht bezieht, interessiert sich so eine Frau auch mal für mich. Da bin ich evolutionär gesehen das geringste Übel, der kleinste gemeinsame Nenner. Ja, unter den Blinden ist der Einäugige König.
    »Und was machst du so?«, fragt Tiffany.
    »Ich studiere und habe gerade meine Abschlussarbeit geschrieben. Und jetzt versuche ich, vor meiner Pollenallergie zu flüchten, und dachte, dass das Schiff eine gute Idee sei.«
    »Und, funktioniert es?«
    »Na ja, geht so. Und du? Was machst du?«
    »Ich bin … Schauspielerin.«
    Hatschi!
    »Bless you … ah, sorry.«
    »Kein Problem. So, also Schauspielerin? Das klingt ja spannend.«
    Tiffany nippt an ihrem Martini.
    »Ach, fuck, was soll’s, du wirst es aufgrund deines siebten Sinns wahrscheinlich sowieso merken. Ich bin nicht so eine Schauspielerin, wie du denkst. Ich bin Pornodarstellerin.«
    Verzweifelt versuche ich, hinter meiner dunklen Brille ihre Augen zu fixieren, jedoch rutscht mein Blick erneut in ihr Dekolleté. Es ist deutlich attraktiver als das von Miss Ukraine.
    »Ehrlich gesagt klingt das jetzt nicht weniger spannend.«
    »Du findest es nicht anzüglich?«
    »Anzüglich?« Ich lege meinen Kopf vielsagend in den Nacken. »Es ist dein Job. Du verdienst damit dein Geld und ernährst dich und deinen Sohn. Was soll daran anzüglich sein?«
    »Danke, tut gut zu hören, dass du mich mit anderen Augen siehst … sorry, ich meine …«
    »Schon gut.« Ich lache, und wieder fällt mein Blick wie von einer höheren Macht befohlen in ihren Ausschnitt. Das gibt’s doch gar nicht. Ob das was mit Magnetismus zu tun hat?
    »Es tut gut, mal mit einem Mann zu reden, der einem nicht die ganze Zeit auf die Titten starrt.«
    Ich zucke leicht zusammen und fühle mich ertappt, aber Tiff hat nichts bemerkt.
    »Tja, selbst wenn ich wollte …«
    »Eben. Deine Frau kann sich glücklich schätzen. Oder bist du Single?«
    Dies ist wohl eine der Situationen im Leben, von der man als Mann träumt. Man sitzt mit einem Martini an der Bar eines Kreuzfahrtschiffs und wird von einer unglaublich attraktiven Pornodarstellerin gefragt, ob man noch zu haben sei. Wahrscheinlich würde diese Nacht als unvergessliche Erinnerung in die Geschichte eingehen. Die Pornoqueen und der Blinde. Die Schöne und das Biest.
    »Nein, ich bin nicht verheiratet, aber ich habe eine Freundin.«
    »Schade.«
    »Schade?«
    »Ja, euch Blinden sagt man doch nach, dass ihr viel einfühlsamer seid als andere Männer.« Tiff lacht. »Das hätte ich gerne mal getestet.«
    »Ach?«
    »Ja, ich bin bei so Sachen immer sehr offen und direkt. Sorry, falls dich das schockt.«
    »Nein, nein. Schon okay.«
    »Beneidenswert«, sagt Tiff und nippt dabei mit einem unvergleichlichen Augenaufschlag an ihrem Martini.
    »Was ist beneidenswert? Blind zu sein?«
    »Nein, deine Freundin.«
    Ja, beneidenswert, denke ich und hoffe, dass Jana niemals von dieser Fahrt erfahren wird.

29
    Auf Entzug
    H atschi!
    In der Nacht wache ich zwei Mal auf. Das erste Mal um halb vier. Mir ist so, als könnte ich Essen riechen, und sofort spiele ich mit dem Gedanken, mir eine Portion Chicken Wings zu bestellen. Einerseits, weil ich aufgrund der Zeitumstellung Hunger bekomme, andererseits aus Neugier, weil ich noch nie so wichtig war, dass man wegen mir mitten in der Nacht den Herd anschmeißen musste.
    Hatschi!
    Das zweite Mal werde ich um drei viertel fünf Uhr wach. Und zwar mit verstopfter Nase und einem Rachen, der bei jedem Atemzug danach klingt, als ob ich eine Kinderrassel verschluckt hätte. Auf diesem Schiff wachsen entweder erstaunlich viele Birken oder Romeos prämiertes Fell legt meinen Atmungsapparat lahm. Also bleibt mir nur eins: Raus aus dem Bett und eine Ladung Salz durch die Nase jagen. Zwanzig Minuten Freiheit atmen. Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuße: Der Anblick des letzten Salztütchens macht mir klar, dass ich ein echtes Problem habe. Mein Stoff geht zur Neige, und der erhoffte Effekt der Meeresluft hat sich bisher leider auch noch nicht eingestellt. Ich muss meinen Stoff also rationieren.
    Schlaftrunken reibe ich mir die Augen, um wach zu werden, denn nun muss ich ganz behutsam sein und darf nichts von dem weißen Gold verschütten. Jedes einzelne Salzkorn ist gleichbedeutend mit ein wenig Linderung. Mein ganz persönlicher kleiner Trip. Vorsichtig reiße ich also das Tütchen auf und verteile den pulvrigen Inhalt stilecht auf dem Toilettendeckel. So ganz von der Beutelhülle befreit sieht der Reststoff nach noch viel

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