Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
habe, kann ich mir vorstellen, wo er sich vielleicht aufhält. Warum willst du ausgerechnet jetzt dein Leben aufs Spiel setzen?«
»Endlich hat mir Gerner ein Zeichen des Vertrauens gegeben. Ich kann ihn nicht enttäuschen«, antwortete sie, ohne den Blick von ihrem Schwert zu heben. »Und vor allem will ich die Femtiten nicht im Stich lassen, die in zwei Tagen hingerichtet werden sollen. So habe ich mich früher nicht verhalten und werde es auch jetzt nicht tun. Unseren Aufbruch müssen wir eben verschieben. Nach diesem Einsatz werden sie mir vertrauen, und dann wird alles leichter.«
»Wenn das so weitergeht, kommen wir überhaupt nicht mehr von hier fort«, murrte Saiph. »Mit dieser Aktion wird doch der Krieg zwischen Talariten und Femtiten nicht beendet sein, und du wirst immer wieder irgendeinen Grund finden, dich dort einzumischen. Dabei geht es dir gar nicht in erster Linie darum, den Rebellen zu helfen. Es ist die Schlacht, die dich lockt.«
Talitha hielt im Schleifen inne und blickte ihn mit entschlossener Miene an. »Mag sein«, sagte sie, »aber ich habe eben auch diese Seite, und das weißt du schon lange. Wichtiger ist mir aber, mit denen in den Kampf zu ziehen, die im Recht sind. Und außerdem kommt das letztlich auch unserer Mission zugute.«
»Aber wenn dir etwas passiert, ist es auch mit unserer Mission vorbei.«
»Was soll mir denn passieren? Du wirst doch an meiner Seiten kämpfen, oder?«
Saiph nickte. »Schon. Aber was macht das für einen Unterschied?«
»Das kommt ganz auf dich an«, antwortete sie und ging noch ein letztes Mal mit dem Schleifstein über die Klinge.
Saiph sagte nichts, bückte sich nur und hob Talithas Stiefel auf, die sie in eine Ecke gefeuert hatte, und stellte sie, entmutigt, ordentlich vor ihrem Lager auf. Wenn er sie schon nicht aufhalten konnte, würde er eben wieder einmal alles geben, um sie zu beschützen.
Zwei Tage dauerte der Flug zu der Mine im Reich des Winters. Auch in der Nacht legten sie keine Pause ein und verlangten ihren Drachen alles ab. Alle Krieger des Lagers hatten sich auf den Weg gemacht, einige Dutzend Femtiten, einschließlich Gerner.
Im Morgengrauen des dritten Tages kam ihr Ziel in Sicht: ein verfallenes Dorf, mit zerstörten, niedergebrannten Hütten, im Schatten eines kümmerlichen, kränklich wirkenden Talareths. Alles war schon für die Hinrichtung vorbereitet. Talitha erkannte die Strafstöcke, die bläulich blitzten, sowie eine etwa zwanzigköpfige, dicht zusammengedrängte Schar von Femtiten mit Panik in den Gesichtern, umringt von mindestens der doppelten Anzahl talaritischer Soldaten. Es blieb keine Zeit, einen Plan zu entwickeln. Sie mussten handeln. Auf ihren Drachen stürzten sie auf das Dorf nieder, und der Kampf entbrannte.
Talitha gab sich ihrer Raserei völlig hin. Alles war dem so unglaublich ähnlich, was sie in Orea erlebt hatten, selbst der Gestank des Feuers, das die Häuser und ihre Bewohner niedergebrannt hatte, und die Erinnerungen an den Ort, den ihr Vater ausgelöscht hatte, überlagerten sich mit den Szenen, die sich hier abspielten, und entfachten in ihr eine unbändige Wut. Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus, riss das Schwert aus der Scheide und warf sich ins Getümmel.
Einen Morgenstern schwingend rannte ein Gardist auf sie zu, doch sie war flinker und rammte ihm das Schwert in den Arm. Doch in dem Moment, als der Mann sich den Arm haltend zu Boden sank, durchfuhr sie selbst ein ungeheurer Schmerz. Es war wieder genau das gleiche entsetzliche Gefühl wie ein paar Tage zuvor, als sie die Talariten bei dem Überfall getötet hatte. Aber obwohl der Schmerz so brutal war, hinderte er sie nicht daran, todbringend zuzuschlagen. Ganz im Gegenteil schien es sogar ein natürlicher Teil des Kampfes zu s ein, der sie dazu antrieb, das Schwert immer wütender niederfahren zu lassen, in dem brennenden Verlangen zu atta ckieren und zu verwunden, Schmerz zuzufügen und ihn am eigenen Leibe zu spüren.
Das ist der richtige Kampf, das ist der Krieg , sagte sie sich und fürchtete sich nicht vor dem Ungestüm in ihrer Brust.
Diese Scheusale hatten es nicht anders verdient. Für jeden einzelnen Femtiten, den sie getötet hatten, sollten sie büßen, und dass jeder Hieb ihr selbst Schmerzen bereitete, sprach sie von jeder Schuld für ihr Tun frei. Wie fern lagen die Skrupel, die sie beim ersten Mal, als sie jemandem das Leben genommen hatte, überkommen hatten. Es kam ihr so vor, als sei sie eine völlig andere
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