Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
antworten sollte. Ihre Gedanken waren wieder bei dem jungen Mädchen, und sie fragte sich, wo sie stecken mochte. Die Leiche ihrer Mutter war mit den anderen toten Talariten auf einem großen Scheiterhaufen verbrannt worden.
»Krieg bedeutet Tod, Blut, Leid … hin und wieder unterbrochen vom Jubel nach einer gewonnenen Schlacht. Aber der ist immer von kurzer Dauer«, erklärte Melkise und betrachtete die feiernden Rebellen.
»Die Talariten haben entsetzliche Grausamkeiten verübt. Haben sie nicht verdient, was jetzt mit ihnen geschieht?«, murmelte Talitha.
»Schon, aber die Femtiten werden vielleicht bald noch schlimmer wüten, du wirst sehen«, erwiderte Melkise und nahm noch einen weiteren Schluck.
»Und warum bist du dann hier und kämpfst mit uns, wenn du so denkst?«
»Seit ich damals beschlossenen habe, Grif in Sicherheit zu bringen, habe ich keine andere Wahl mehr. So ist das nun mal. Aber die wichtigere Frage ist doch: Bist du immer noch der Ansicht, dass dies ein gerechter Krieg ist?«
»Die Femtiten haben ein Recht auf Freiheit.«
»Egal um welchen Preis?«
Talitha schwieg.
Melkise nahm noch einen Schluck und reichte ihr die Flasche.
Sie nahm sie und hoffte, dass der Alkohol jeden Zweifel, jeden Schmerz betäuben würde. So ist eben der Krieg , sagte sie sich – wieder einmal.
Dieser Satz hallte mit einem düsteren Echo in ihr nach.
29
S aiph kauerte in seinem Versteck und verlor das Zeitgefühl.
Die Sonne war bereits untergegangen, als er vorsichtig den Kopf hinausstreckte. Er zitterte am ganzen Leib. Die Riesenspinne hatte von dem Drachen nur ein paar Knochen zurückgelassen und war verschwunden. Saiph fragte sich, ob sie irgendwo lauerte und sich auf ihn stürzte, sobald er einen Fuß aus seinem Versteck setzte. Doch er konnte nicht bis in alle Ewigkeit in diesem Kahn bleiben.
Nur wenig Licht drang hinter das Schott, wo er kauerte. Aber vielleicht würde ihn das Ungeheuer trotzdem bemerken, sobald er ins Freie kroch. Mittlerweile knurrte ihm der Magen, und Saiph griff in seine Tasche, holte eine Wurzel hervor und verzehrte sie mit nur einem Schluck Wasser dazu, weil ihm die strenge Rationierung, die er sich verordnet hatte, mehr nicht erlaubte. Während er an dieser Wurzel herumnagte, betrachte er den Ort genauer, an den ihn seine Flucht getrieben hatte. Es war ein Kämmerchen mit einer zerborstenen hölzernen Seitenwand. Durch diese Öffnung sah er eine ganz Flucht solcher Kammern von ungefähr der gleichen Größe, die alle verfallen wirkten. Vielleicht handelte es sich um Unterkünfte für Passagiere, dachte Saiph. Dass Fahrgäste auf einem Schiff übernachten konnten, war etwas, was Saiph nicht kannte. Das größte Schiff, das er jemals gesehen hatte, befuhr den Imorio-See, war aber auch nur ein Schleppkahn gewesen, den Sklaven mit allerlei Waren beladen hatten. Ein Schiff von solchen Ausmaßen, mit Platz für eine große Mannschaft und zahlreiche Passagiere, musste durch viel größere Gewässer kreuzen.
Während er auf der Suche nach irgendeiner Waffe, mit der er sich gegen das Monstrum zur Wehr setzen konnte, das Schiff erkundete, gelangte er in einen Raum, der die Kommandobrücke gewesen sein musste. Er sah die Reste eines gigantischen Steuerrades, größer noch als das Rad eines Streitwagens. Obwohl es verfallen war, erkannte er noch mächtige, verrostete Metallnieten. Eine davon, am unteren Rand eingeschlagen, trug eine eingravierte Inschrift. Nur noch einige wenige Zeichen konnte Saiph erkennen, und auch diese waren ihm völlig fremd. Jedenfalls zählten sie nicht zu den Buchstaben der Sprache, in der Verba sein Tagebuch verfasst hatte. Offenbar war es wiederum ein anderes Volk, das dieses Schiff erbaut hatte. Und das bedeutete: Es hatte einmal eine große Vielfalt verschiedener Völker und Rassen auf Nashira gegeben, nicht nur die Talariten und Femtiten und die Rasse, der Verba angehörte. Die Geschichte Nashiras war viel verwickelter, als man es den Kindern in Talaria beibrachte. Dieser Gedanke machte ihn schwindlig, und er musste sich gegen die Wand lehnen, um nicht zu fallen.
Als er sich ein wenig gefangen hatte, erkundete er das Schiff weiter und gelangte zu einer Treppe, die zu einem Unterdeck hinunterführte. Er stieg hinunter und stand bald in einem großen Raum, der zur Hälfte unter der Erde lag. Saiph erkannte es an dem breiten Spalt, der in einer Außenwand klaffte, und sofort fiel ihm die Riesenspinne wieder ein, die hier hätte eindringen können. Erschrocken
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