Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
mehr gegen dich antreten. Aber es sind deine Kameraden, Talitha. Verstehst du? Wenn du eine solche Wut in dir spürst, solltest du sie auf ein passendes Ziel lenken, sonst wird es gefährlich … Was macht dich denn so zornig?«
»Aber wenn ich sie auf das richtige Ziel lenke, ist meine Wut doch von Vorteil, oder?«
»Ja, aber wenn es so weit kommt, dass du einen Kameraden töten willst, stimmt da etwas nicht«, antwortete Eshar streng.
»Gut, ich verspreche dir, dass ich im Training von nun an vorsichtiger sein werde. Aber auf dem Schlachtfeld kenne ich keine Gnade mehr.«
In diesen Tagen ging Talitha Melkise beharrlich aus dem Weg. Wenn es zufällig dazu kam, dass sie sich im Training gegenüberstanden, brachte sie es so schnell wie möglich hinter sich und hielt sich auch während der Mahlzeiten immer von ihm fern. Zudem zog sie sich stets lange vor oder nach ihm auf ihr Lager zurück.
Eine Weile ließ der frühere Kopfgeldjäger den Dingen ihren Lauf, aber irgendwann stellte er sie in einem der Minengänge zur Rede: »Ich habe dich nur gebeten, dir einen eigenen Platz zum Schlafen zu suchen. Kein Wort, dass du mich vollkommen ignorieren sollst. Ich mache mir Sorgen um dich, Talitha. Anscheinend geht es dir nicht gut.«
»Doch, mir geht’s wunderbar, aber auch wenn es anders wäre, ginge dich das gar nichts an. Von meinem Vater habe ich mich losgesagt, und einen neuen Vater brauche ich nicht.«
»Du verhältst dich aber wie ein Kind«, sagte Melkise und seufzte.
»Wer bist du, dass du glaubst, mir Vorhaltungen machen zu können?«, antwortete Talitha und wandte sich von ihm ab.
»Ich bin ein Mann, der dich gern hat und es nicht mit ansehen kann, wie du dir selbst wehtust.«
Talitha fuhr herum und bedachte ihn mit einem höhnischen Lächeln. »Kümmere du dich darum, dass du in Form bleibst. Ich kann mich um mich selbst kümmern.«
Alle Versuche Melkises, sie zur Vernunft zu bringen, waren umsonst. Talitha ließ ihn stehen und sprach weiterhin tagelang kein Wort mit ihm.
Bald aber mussten sie sich um andere Probleme kümmern.
Nach fünf Tagen in den Minen – Danorath Luja, »Freie Stadt«, hatten sie ihr neues Hauptquartier getauft – wurden die Rebellen zusammengerufen, um über die Pläne für die nächste große Aktion unterrichtet zu werden. Sie versammelten sich in der Eishalle, einer Höhle, die größer als die anderen war und im Zentrum der Mine lag. An einem Ende der Halle hatten sich Gerner, Eshar und andere Kommandanten aufgebaut.
»Die Ereignisse überschlagen sich«, begann Gerner, als sich alle Rebellen, mit Ausnahme der ringsum postierten Wachen, versammelt hatten. »Die Hälfte der Minen im Reich des Winters ist bereits in unserer Hand. Der Abbau ist lahmgelegt. Auch im Osten geht die Befreiung der Sklaven, die sich im Eisgebirge zu Tode schuften, mit großen Schritten voran, und im Westen sind wir noch weiter: Viele Städte haben sich erhoben, und ganz besonders in einer versuchen die Sklaven verzweifelt, die Macht an sich zu reißen. Viele haben den Versuch bereits mit dem Leben bezahlt. Es handelt sich um Oltero, die Stadt ist auf unsere Hilfe angewiesen.«
Talithas horchte auf. Dort war sie mit Saiph gewesen, als sie noch gemeinsam den Spuren des Ketzers gefolgt waren, und sie erinnerte sich an einen traurigen heruntergekommenen Ort, im Schatten eines kränklichen Talareths.
»Die Stadt kann nur Haus für Haus erobert werden«, fuhr Gerner fort. »Jetzt geht es nicht mehr nur darum, unsere Brüder zu befreien. Nein, wir wollen uns auch das zurückholen, was uns einst genommen wurde. Daher leisten die Talariten umso erbitterter Widerstand. Denn sie merken, dass sie nicht nur um ihren Machterhalt kämpfen, sondern um ihr Leben. Und sie haben Recht: Wir kennen keine Gnade. Es ist ein Krieg, ein offener Krieg, wie jener, durch den wir vor Jahrhunderten versklavt wurden. Aber ich weiß, dass wir es schaffen und siegen werden, denn anders als die Talariten haben wir nichts zu verlieren, aber unendlich viel zu gewinnen: nämlich die Freiheit für uns und unsere Nachfahren. Morgen setzen wir uns in Marsch.«
Ein Schrei wie aus einer Kehle hallte durch den Raum, und begeistert stimmte Talitha in diesen Chor ein. »Offener Krieg«, hatte Gerner gesagt. Das war genau das, was sie brauchte.
Den Weg zur Front legte sie mit einigen Kameraden in einem Transportkorb zurück. Melkise ebenso, aber in einem Korb unter einem anderen Drachen. Es war unwahrscheinlich, dass sie wieder Seite an
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