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Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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Manchmal jedoch träumte sie, wie sie das Mädchen tötete.
    Mitten in der Nacht fuhr sie, schweißgebadet und zitternd, aus dem Schlaf auf, saß auf ihrem Lager und ließ den Blick durch das Fenster über den Ort wandern. Sie sah Feuer und Fackeln, von Ferne drang fröhliches Lachen zu ihr. Es ging ihr nicht gut in dieser befreiten Stadt. Sie fühlte sich allein. Wo ist die Unbeschwertheit hin, die mich anfangs unter diesen Leuten erfüllt hat? , fragte sie sich. Manchmal beschlich sie das Gefühl, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte, dass sie etwas in sich trug, was sie daran hinderte, glücklich zu sein – immer schon.
    Am nächsten Morgen wurde verkündet, dass ihr nächstes Angriffsziel ein Kloster sein würde, um die dortigen Sklaven zu befreien. Talitha horchte auf. Klöster waren das Sinnbild all dessen, was sie in ihrem Leben immer schon verabscheut hatte. Vielleicht würden sich im Kampf gegen die, die den Tod ihrer geliebten Schwester zu verantworten hatten, all die quälenden Zweifel zerstreuen. Vielleicht würde sie nun, da ihre Leidenschaft für die Sache verflogen war, im Hass ein neues Motiv für den Kampf finden.

31
    N ach der Mahlzeit im großen Speisesaal zog sich Kora eilig in ihre Zelle zurück. Sie unterhielt sich nicht einmal mit den anderen Novizinnen, wie sie es sonst immer tat. Sie hatte Angst. Seit sie hinter Greles Plan, die Kleine Mutter zu vergiften, gekommen war, lebte sie in der Furcht, gleichfalls dieses Ende zu nehmen. Deshalb schlief sie mit einem Dolch unter dem Kopfkissen und traute nur dem Essen, das ihre Leibdienerin ihr brachte. Sie wusste, dass sie sich nicht irrte. Aus ihrem Verdacht war Gewissheit geworden, als der junge Sklave, mit dem sie sich unterhalten hatte, gleich am Tag nach ihrem Gespräch und bevor er sich, wie verabredet, mit Galja treffen konnte, durch einen »Unfall« ums Leben gekommen war. In der offiziellen Version hieß es, er sei durch den Schacht eines Lastenaufzugs in die Tiefe gestürzt. Aber Kora wusste, dass man ihn umgebracht hatte. Und wenn ihr selbst etwas zustieß, würde das niemanden interessieren. Sie war nur die Tochter eines Kaufmanns, ein Mädchen aus dem Volk, und obwohl ihre Familie nicht unvermögend war, kam sie gegen die Macht, über die Grele und Megassa verfügten, nicht an. Jeden Tag wurde im Kloster von neuen Heldentaten und Siegen des Grafen berichtet, Geschichten, die Kora allerdings für übertrieben hielt. Mittlerweile priesen alle diesen Mann als ihren Retter, und nur wenige zweifelten daran, dass er bald Herrscher im Reich des Sommers würde, wenn seine Gattin nämlich als nächste Königin den Thron dort bestieg. Und mit einem solchen Mann als Verbündetem durfte Grele darauf bauen, selbst zur Kleinen Mutter ernannt zu werden.
    Als Grele sie am Tag nach dem Tod des Sklaven zu sich rufen ließ, begriff Kora, dass das Spiel wirklich gefährlich wu rde.
    »Wir haben überlegt, dich bald zur Priesterin zu weihen«, empfing Grele sie mit einem vielsagenden Lächeln, als Kora zu ihr in die Zelle trat.
    »Das wäre eine große Ehre für mich«, antwortete Kora, bemüht, die Furcht zu verbergen, die ihr den Magen zuschnürte.
    »Was ist los mit dir? Du bist so unruhig«, sagte Grele, während sie auf sie zutrat und sie umkreiste, wie ein Raubtier seine Beute. »Mache ich dich nervös?«
    Koras Herz schlug schneller, und sie hatte größte Mühe, die Ruhe zu bewahren: »Nein, nein … ich fühle mich nur ein wenig unwohl, seit einigen Tagen.«
    Grele deutete wieder ein Lächeln an, das Kora alles andere als beruhigend fand. »Wenn du magst, ich kann dir ein gutes Stärkungsmittel zubereiten … Mit Kräutern kenne ich mich aus.«
    »Nein, danke«, wehrte Kora eilig ab.
    »Auch gut. Ich will dir nur helfen. Aber wenn du nicht bald … gesund und wieder ganz die Alte wirst … muss ich Maßnahmen ergreifen. Verstehst du?«
    Kora nickte. Die Bedeutung von Greles Worten war unmissverständlich.
    Seit diesem Tag verbarg sie ihre Sorge um das Schicksal der Kleinen Mutter, auch wenn sie sich sicher war, dass Grele dieser nach dem Leben trachtete. Sie wusste nicht, wann und wie, zweifelte aber nicht daran, dass sie es wieder versuchen würde.
    Mit raschen Schritten durchlief Kora den Flur. Dieses Gebäude hatte wenig gemein mit dem alten Kloster und seinen hellen, großen Räumen, in das sie damals eingetreten war: Hier wirkte alles beengt und düster, behelfsmäßig, die Türen längs des Flures waren in unregelmäßigen Abständen

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