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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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zu entkommen. »Pass auf, wir tauchen, ja? Wir tauchen bis da vorne und sind Räuberfische und greifen Friedel unter Wasser an.«
    »Okay«, sagte Nashville.
    Es war kindisch und albern, aber manchmal muss man auf Beerdigungen kindisch und albern sein, weil man sonst die Traurigkeit nicht aushält. Svenja schwamm voraus durchs trübe, grüngraue Unterwasserlicht. Als sie am Ufer wieder auftauchte, war Friedel schon dabei, den Hang hinaufzuklettern. Kater Carlo und Thierry tauchten sich gegenseitig unter und benahmen sich ebenfalls albern und kindisch. Aber wo war Nashville?
    Kein zerzauster Kopf schwamm hinter Svenja. Kein Kinderarm winkte.
    Und dann sah sie ihn hochkommen, ein Stück flussabwärts. Er schlug mit den Armen um sich, ging wieder unter – und endlich begriff Svenja.
    Nashville konnte nicht schwimmen.
    »Idiot«, flüsterte sie und hechtete los.
    Sie erreichte ihn Sekunden später, legte einen Arm um ihn und schleppte ihn ab, und die ganze Zeit über formten ihre Lippen weiter das Wort IDIOT .
    Friedel zog sie an Land.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte Svenja ärgerlich und sah Nashville an, der erschöpft neben ihr lag.
    »Warum bist du in den verdammten Fluss gesprungen, wenn du überhaupt nicht schwimmen kannst? Warum hast du ›okay‹ gesagt? Warum hast du mich losgelassen?!«
    Nashville spuckte einen Schwall Wasser aus und zuckte die Schultern. Dann zeigte er auf den Fluss.
    Dort schienen Thierry und Kater Carlo miteinander zu kämpfen. Nein, Kater Carlo versuchte, Thierry abzuschleppen, so wie sie Nashville abgeschleppt hatte.
    »Ach, du Scheibe«, sagte Friedel. »Ist das heute der Tag der Beinahe-Ertrunkenen?«
    Sie sahen zu, wie Kater Carlo Thierry den Hang hochtrug. Er legte ihn ins Gras, ließ sich auf die Knie fallen und schüttelte ihn.
    »Mist!«, schrie er. »Ich glaube, hatte er ein Krampf in den Fuß … ist er plötzlich einfach untergegangen!«
    Thierry rührte sich nicht. Sein androgynes Gesicht war bleich wie das einer Puppe.
    »Mist!«, schrie Kater Carlo noch einmal und gab Thierry eine verzweifelte Ohrfeigte, die nichts bewirkte. »Wir müssen tun etwas! Er hat geschluckt zu viele Wasser!«
    Es ging alles so schnell, dass Svenja nicht reagieren konnte: Nashville, der Kampf im Wasser, Kater Carlos Panik, das Bild von Thierrys lebloser, nasser Puppengestalt im Gras.
    »Luft«, sagte Friedel, unsicher. »Er braucht … Luft?«
    Da nickte Kater Carlo und beugte sich über Thierry, um ihm seinen Atem in die Lungen zu blasen.
    In Svenjas Kopf tauchte das Wort »Zweihelfermethode« auf. Jemand Zweites musste die Herzdruckmassage machen. Sie rappelte sich hoch, noch immer wirr vor Schreck, und stolperte einen Schritt auf die beiden zu. Nashville hielt sie am Arm fest, er war mit ihr aufgestanden.
    »Schau doch«, sagte er leise.
    Und Svenja schaute.
    Sie sah Thierrys Hände erwachen und sich in Kater Carlos Haar festkrallen.
    Sie sah das Erstaunen durch Kater Carlos Körper rieseln. Er kniete noch immer, aber er kniete nicht mehr, um zu retten. Nein, das war keine Atemspende mehr. Es war ein Kuss.
    Ein sehr langer und hungriger Kuss.
    Als die beiden sich kurz trennten, um Luft zu holen, sagte Kater Carlo: »Ich dachte, du … aber …«
    »Sch, sch«, flüsterte Thierry und legte einen Finger auf Kater Carlos Mund. »Dass man aber auch erst ertrinken muss, damit das endlich mal passiert. War gar nicht so leicht … Und die Ohrfeige, die kriegst du noch zurück.«
    Kater Carlo schüttelte den Kopf. Flusswasser fiel aus seinem Haar wie Regen.
    »Du … du bist ein … ein …« Er hob die Arme, hilflos, kein Wort war schlimm genug. »Warum bist du nicht vor eine Jahr ertrunken? Warum hast du gewartet so lange, du Hund?«
    »Das Jahr war eine Menge Spaß«, sagte Thierry und zog Kater Carlo wieder zu sich hinunter, zu einem zweiten Ganzkörperkuss. Svenja sah sie auf dem Gras herumrollen, bis Thierrys schlanke Gestalt oben lag, sie sah das Taschenmesser hinten in seinem Gürtel stecken, und sie dachte wieder, dass nichts zusammenpasste an Thierry. Und dass er, was Wadenkrämpfe betraf, ein wirklich guter Schauspieler war.
    Friedel seufzte. »Wo die Liebe hinfällt«, sagte er und klang dabei ein wenig, als wäre er die Großmutter mit dem schrägen Garten.
    Svenja sagte nichts.
    Nashville stand noch immer neben ihr und hielt ihren Arm fest, und sie spürte das Schlagen seines Herzens durch seine Handfläche. Ein Herz, das nicht mit einem vergifteten Zug entgleist war. Aber

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